Naturwaldkonzept: Naturnahe Waldökosysteme mit allen Waldentwicklungsstadien und hoher Biodiversität sind das Ziel. Foto: Niemeyer-Lüllwitz
Bielefeld, 12.7.2025 | Vor über 10 Jahren haben die Naturschutzverbände ein Naturwaldkonzept für den stadteigenen Wald vorgelegt, jetzt hat der Rat der Stadt ein solches Konzept beschlossen. Natürliche Prozesse sollen künftig die Waldentwicklung steuern. Auf mindestens 10 % der Waldfläche soll es keine forstliche Nutzung mehr geben, sie werden als „Wildnisentwicklungsflächen“ ausgewiesen. Ziel auf der 2.431 ha großen Gesamtfläche ist „die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt“, was mit einer ökologisch ausgerichteten Waldpflege, dem Erhalt von Biotopbäumen und einem hohen Totholzanteil erreicht werden soll.
Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz (AfUK) hatte das Konzept mit Beschlüssen 2020 und 2021 auf den politischen Weg gebracht. Danach startete die Stadt zur Konzepterarbeitung ein umfangreiches Beteiligungsverfahren, an dem Forstbetrieb, Regionalforstamt, Privatwaldbesitzer, Umweltamt und die Naturschutzverbände BUND, NABU und Naturwissenschaftlicher Verein Bielefeld teilnahmen. 2022 bis 2024 fanden dazu eine Vielzahl von Dialogveranstaltungen statt. Die Finalisierung als Rohentwurf wurde dann von Prof. Dr. Volker Dubbel, Professor für Waldschutz und Waldbautechnik, begleitet. Prof. Dubbel stellte das Konzept im Juni bei einer Infoveranstaltung vor. Er stellte besonders heraus: „Der Schlüssel für die Resilienz von Waldökosystemen findet sich in der Biodiversität“.
Ein besonderer Fokus des Konzeptes liegt neben der Krise der Biodiversität auf den Aspekten des Klimawandels, der schon jetzt erheblichen Einfluss auf die natürliche Waldentwicklung hat. Ein wesentliches Ziel ist dabei die Entwicklung von Waldökosystemen mit einen mosaikartigen strukturierten, naturnahen Laub-Mischwald und einem Grundgerüst aus alten und dicken Bäumen verschiedener Baumarten, in dem alle Altersphasen im kleinflächigen Wechsel vorhanden sind.
Dazu heißt es im Konzept: „Das bedeutet, dass in den kommenden Jahrzehnten, im Hinblick auf die angestrebte Naturnähe, die derzeit fehlenden Waldentwicklungsphasen (Alters- und Zerfallsphase) auf ganzer Fläche schrittweise entwickelt werden. Des Weiteren sollen alle naturschutzfachlichen Schutzgüter möglichst lange erhalten bleiben. Hierzu gehören Bäume mit Mikrohabitaten (Höhlen, Rindenspalten, Astausbrüche, usw.), Horstbäume, Methusalembäume, bizarre Einzelbäume sowie Totholz. Zu diesem Zweck sind zukünftig achtsame und dem Entwicklungszustand der Waldbestände angepasste Waldpflegemaßnahmen erforderlich, die zur klimaresilienten Entwicklung der Flächen durchgeführt werden.“
Eckpunkte des „Zukunftsfähigen Naturwaldkonzeptes“
- Die Schutz- und Erholungsfunktionen des Stadtwaldes haben Vorrang vor der Nutzfunktion.
- Die natürliche Verjüngung hat grundsätzlich Vorrang vor der Pflanzung. Auf das Anpflanzen von eingeführten gebietsfremden Baumarten wird zukünftig verzichtet.
- Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt mit der Ausweisung und dem Erhalt von zehn Biotopbäumen pro Hektar sowie die Anreicherung von Totholz sind integraler Bestandteil einer ökologisch ausgerichteten Waldpflege.
- Waldpflegemaßnahmen finden während ökologisch sensibler Zeiten nicht statt.
- Bei der Vorbereitung der Waldpflegeplanungen ist eine Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Naturschutz erwünscht und von großem Vorteil.
- Holzentnahmen erfolgen grundsätzlich einzelstammweise, selten trupp- oder gruppenweise. Kahlschläge finden nicht statt.
- Es werden maximal 60% des laufenden jährlichen Zuwachses genutzt, um langfristig Holzvorräte aufzubauen und den Anteil dicker Bäume zu erhöhen.
- Das Waldmanagement orientiert sich an den Habitatbedürfnissen seltener und bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Leitart ist dabei die Bechsteinfledermaus.
- Im Sinne dieses zukunftsfähigen Naturwaldkonzeptes soll der Stadtwald zukünftig nach FSC zertifiziert werden.
Auswahl von Wildnisentwicklungsflächen zusammen mit den Naturschutzverbänden
Für die Ausweisung von Referenzflächen ohne forstwirtschaftliche Nutzung (Wildnisentwicklungsflächen) hat der Rat jetzt die Einrichtung eine Arbeitsgruppe beschlossen, in der die bisher im Verfahren beteiligten Naturschutzverbände, der Umweltbetrieb sowie das Umweltamt beteiligt werden. Ziel ist die Ausweisung von mindestens 10 % des städtischen Waldbestandes, also mindestens 244 ha, als Wildnisentwicklungsflächen bis zum Ende des Jahres 2025.
Ratsbeschluss für ein “Zukunftsfähiges Naturwaldkonzept“ (PDF)