Kreisgruppe Bielefeld

Alte Buchen im geschützten Baumbestand am Mondsteinweg gefällt

16. April 2022 | Bäume, Bielefelder Wald, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz

Waren die Fällungen für die Verkehrssicherheit zwingend? Wurde der im Bebauungsplan festgesetzte Schutz ausreichend berücksichtigt? Nach vom BUND befragten Baumexperten war die Standsicherheit der gefällten Bäume nicht gefährdet. Deshalb bitte der BUND die Stadt um Aufklärung.

Gefällte Buche am Bachufer. Im Kern keine Erkrankungen feststellbar. Dass dieser Baum nicht mehr standfest war, ist nicht anzunehmen. Foto: BUND

In einem Bericht des Westfalenblattes wird der Wald am Mondsteinweg zu Recht als „kleines Naturidyll“ beschrieben. Ein naturnaher Laubwald mit vorwiegend alten Buchen und bis zu 150 jährigen Eichen prägt dieses Siektal, das zum Moorbachtalsystem gehört. In der letzten Woche wurden 12 alte Buchen, zwei Eichen und zahlreiche jüngere Bäume durch Mitarbeiter des Forstbetriebes gefällt. Besorgte Anwohner hatten den BUND informiert, der in einer an die Stadt gerichteten Stellungnahme um Aufklärung bat. Am Donnerstag fand dazu ein Ortstermin des Forstbetriebes mit dem BUND statt. Kurz danach erschien noch ein Artikel im Westfalenblatt, in dem die Gründe für die Baumfällungen erläutert wurden. Für uns als Naturschutzverband bleiben danach aber noch Fragen offen, die insbesondere den Umgang mit dem Schutzstatus des Baumbestandes und auch die Notwendigkeit der Baumfällungen betreffen.

Waren die Fällungen alternativlos?

Bei dem Termin vor Ort wurde deutlich, dass die Notwendigkeit der Eingriffe unterschiedlich bewertet wird. Aus Sicht des Forstbetriebes waren die gefällten Bäume zumindest im Kronenbereich und teilweise auch schon im Holz geschädigt, wiesen in den Kronen teilweise abgestorbene Astpartien auf. In dem später erschienen Pressebericht heißt es sogar, die Bäume seien durch Hitze, Trockenheit, Pilze und Insekten so stark geschädigt, „dass sie nicht mehr standsicher waren“. Dazu wurde ein Bild veröffentlicht, dass im Kernholz von zwei gefällten Bäume Farbveränderungen zeigt, die als Schäden bewertet werden. Man würde Bäume solange stehen lassen, wie es gehe, aber hier hätte die Verkehrssicherheitspflicht zur Fällung gezwungen. Da der Wald aufgrund des dicht bewohnten Umfeldes intensiv genutzt und begangen wird (auch besonders von Kindern als Spielgelände), sei von diesen Bäumen eine Gefahr ausgegangen. Zum Teil standen die Bäume auch nahe der Straße bzw. der Wohngrundstücke im Norden und Westen. Die Entnahme sei für den Wald kein Problem, würde eher positiv die natürliche Verjüngung fördern.

Der BUND hat bei dem Ortstermin Verkehrssicherungsmaßnahmen, gerade in Anbetracht der schwierigen Lage, grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Dass die Masse der Bäume aber nicht mehr standsicher gewesen seien, war eindeutig nicht feststellbar. Wie die hier nachfolgend dokumentierten Bilder belegen, waren die meisten gefällten  Bäume im Kern gesund, zeigen an den Anschnitten keinerlei Spuren von Schäden. Nur an wenigen Baumscheiben der gefällten Bäume sind erste Spuren von Stammverfärbungen erkennbar, wie es auch auf einem Foto im Westfalenblatt gezeigt wird. 

Nach Beurteilung durch vom BUND befragte Baumexperten handelt es sich hierbei aber nicht um beginnenden Kernfäule, sondern um einen sogenannten "Spritzkern", also Oxydationserscheinungen im Kernholzbereich, die keinen Einfluss auf die Standfestigkeit haben. Spritzkernverfärbungen zeigen sich durch einen dunklen, sternförmigen oder gezähnter Kern, teilweise mit schwarzen Flecken und nicht verkernten Querschnittsbereichen. Genau diese natürliche Verfärbung zeigt sich an dem vom Forstbetrieb als "geschädigt" bewerteten Buchenstamm und noch an zwei anderen Stämmen.  Die Standsicherheit der gefällten Bäume war danach in keiner Weise gefährdet. 

An den liegenden Kronenresten sind erkrankte und abgestorbene Äste festzustellen, aber auch nur vereinzelt. Offenbar waren einzelne Bäume im Kronenbereich, insbesondere in den Kronenspitzen, erkrankt. Aber sicher nicht alle gefällten Bäume. Bei Buchen im Stadtgebiet tritt eine solche Spitzendürre auch aktuell aufgrund des Klimastresses der letzten Jahre häufig auf. Das gefährdet ebenfalls nicht die Standsicherheit, allenfalls von herabfallenden Ästen könnte hier eine Gefahr ausgehen.  Hier stellt sich aber die Frage: Mussten deshalb in diesem Umfang alte Bäume gefällt werden? Gab es auch bei den im Holz noch gesunden Bäumen in der Krone schon Spitzendürre und Erkrankungen? Warum war es nicht möglich, dann solche kranken und toten Astpartien im Zuge einer Baumpflegeaktion herauszuschneiden? So wie es bei Bäumen im Stadtgebiet, besonders bei Straßenbäumen, oft gemacht wird? Für solche Arbeiten können, sofern technisch an der Stelle einsetzbar, Hubsteiger eingesetzt werden. Und an schwer erreichbaren Stellen machen das bei Bedarf Baumkletterer. Im Sinne des Natur und Artenschutzes können bei kranken Bäumen auch nur die Baumkronen, die eine Gefahr darstellen, entfernt werden. So wie z.B. im Wald nahe der Promenade, wo von der kranken Buchen 5 - 6 m lange Stammstücke stehen geblieben sind.

Bäume laut Festsetzung im Bebauungsplan geschützt

Aus Sicht des Forstbetriebes sind aufwändige Baumerhaltungsmaßnahmen in einem Wald zu aufwendig und zu kostspielig. Aus Sicht des BUND wäre das aber in diesem Fall aufgrund des besonderen Schutzstatus des Waldes sinnvoll und auch notwendig gewesen. Denn ein Blick in die von der Stadt veröffentlichten Online-Karten zeigen: Diese Waldfläche ist als „geschützter Baumbestand“ ausgewiesen. Konkret ist die betroffene Fläche im ökologisch wertvollen Sieksystem des Moorbaches laut Bebauungsplan „Auf der Horstheide“ als öffentliche Grünfläche mit „zu erhaltenen und damit geschützten Bäumen nach § 9 Abs. 25 Baugesetz“ festgesetzt.

Alle Bäume in dem Bestand sind demnach grundsätzlich als geschützt festgesetzt und dürfen danach nur bei Vorliegen besonderer Gründe gefällt werden. Ein besonderer Grund kann natürlich die unmittelbare Gefährdung der Verkehrssicherheit sein. Aber wie bei allen geschützten Bäumen in der Stadt müssten dann zunächst Baumschutz- und Erhaltungsmaßnahmen geprüft und ausgeschöpft werden, bevor ein Baum gefällt wird. Und es muss eine Einzelfallprüfung erfolgen, sowie die Naturschutzbehörde einer Fällung zustimmen. Dazu bittet der BUND die Stadt bzw. das Umweltamt um Aufklärung.

Wie ist der Schutzstatus nach Bebauungsplan für diese Bäume zu bewerten? Handelt es sich um die hier als Grünfläche ausgewiesen Fläche überhaupt um Wald im Sinne des Forstgesetzes? Oder verlangt der festgesetzte Schutzstatus als „zu erhaltene Bäume gemäß § 9, Abs. 25b Baugesetz“ bei Problemen mit der Verkehrssicherheit nicht eine individuelle Prüfung von Maßnahmen? Entscheidet dann der Umweltbetrieb oder die Untere Naturschutzbehörde über Ausnahmen vom Schutzstatus?

Baumfällungen gefährden Stabilität des Buchenwaldes

Bei dem kleinen Wäldchen handelte es sich noch um einen insgesamt recht stabilen Buchenwald mit geschlossenem, dichten Kronendach. Durch die Fällungen von 14 großen, bestandsprägenden alten Bäumen wurden jetzt Lücken in dieses dichte Kronendach geschlagen. In der Forstwirtschaft werden solche „Durchforstungen“ und Auslichtungen meist mit der notwendigen Förderung der Naturverjüngung des Waldes, und natürlich auch mit Ernte von hiebreifen Bäumen begründet. In diesem Fall, bei dem es u.E. wie dargestellt nicht primär um Verkehrssicherheit ging, war das wohl auch das Ziel der Durchforstung mit Entnahme von besonders alten Bäumen. 

In der aktuellen Situation, in der besonders Buchenwälder nach drei extremen Hitze- und Dürrejahren großem Stress ausgesetzt sind, raten Waldökologen aber dazu, Eingriffe zu vermeiden. Denn durch das Schlagen von Lücken in solchen Bestände verlieren Nachbarbäume ihren Schutz vor Sonneneinstrahlung. Oft verbrennt dann die Baumrinde, der Boden trocknet aus und Bäume sterben ab. In der Waldökologie spricht hat man bei solchen forstlichen Eingriffen schon vom „Heißschlagen der Buchenwälder“. Wie die anderen Bäume jetzt damit klarkommen, wird davon abhängen, ob weitere Dürre- und Hitzesommer Stress verursachen. Zu befürchten ist, dass in den nächsten Jahren Buchen hier tatsächlich erkranken werden. Was mit Buchenwäldern passiert, die jahrelang sehr stark durch Lichthiebe ausgelichtet werden, ist am Südhang des Teuto zwischen Klosterruine und Hünenburg eindrucksvoll zu sehen. 

Die Bebauung bis an den Waldrand ist ein Problem!

Eine ca. 120 jährige gefällte Eichen, deren Stamm einen Wert von ca. 800 Euro darstellt, stand im westlichen Siek unmittelbar an der Grenze zu einem Wohngrundstück. Der Baum war standfest, aber im Kronenbereich waren Astpartien abgestorben und die Krone war aufgrund der benachbarten Buchen in Richtung Wohngrundstück ausgebildet. Für notwendige Verkehrssicherungs- und Baumschutzmaßnahmen wäre man hier mit einem Hubsteiger nicht heran gekommen. Die Fällung dieses Baumes sei deshalb aus Sicht des Forstbetriebes alternativlos gewesen. Das Beispiel weist auf die problematische Situation von Wäldern im Grenzbereich zu bebauten Grundstücken hin. Dass hier unmittelbar an einen alten Laubwald mit über 30 m hohen Bäumen heran gebaut wurde, sorgt für massive Probleme mit dem Baum- und Waldschutz und wird im Grenzbereich wohl immer wieder zu Baumfällungen führen. Der BUND weist deshalb erneut darauf hin, dass solche Situationen bei neuen Baugebieten in der Stadt unbedingt vermieden werden müssen. Die Stadt sollte sich verpflichten, künftig immer einen Abstand zu Waldgebieten von mindestens 30 m Baumfallhöhe einzuhalten. Unterstützend wäre es gut, wenn auf Landesebene der 2005 von der CDU/FDP-Regierung abgeschaffte Abstandserlass wieder als verbindliche Regel eingeführt würde.

Das Kronenholz verbleibt als Totholz im Wald

Positiv ist, dass das Kronenholz der gefällten Bäume im Bestand als Totholz verbleiben soll. Eine Entnahme durch Holzwerber sei nicht vorgesehen, so der Forstbetrieb. Die starken Stammstücke sind schon als Wertholz markiert und werden vermarktet. Eine alte Buche, deren Krone im einen Garten im Norden hineinreicht und die im Stammbereich erkrankt ist, müsse noch gefällt werden. Das ist hier aufgrund der Gefahrenlage auch nicht in Frage zu stellen. Die Fällung soll aber in den Bestand hinein geschehen, und der Stamm soll als liegendes Totholz dort verbleiben.

Bericht im Westfalenblatt vom 15.4.2022

Bebauungsplan Auf der Horstheide mit den „zu erhaltenen Bäumen“

Online-Kartendienst Stadt Bielefeld - Festsetzung Geschützte Gehölze

BUND-Vortrag: Intensivforstwirtschaft begünstigt Buchensterben im Teutoburger Wald (PDF)

 

Anhang: Informationen zu Rotkern- und Spritzkernverfärbungen bei Buchen

Wegen der Bedeutung bei der Beurteilung der Standfestigkeit der hier gefällten Buchen geben wir hier hier Fachinformationen zu Kernverfärbungen bei Buchen wieder. 

P. Koch (2014):„Eigenheiten des rotkernigen Buchenholzes“, Thüne-Instituut 

Die Buche zählt zu den Baumarten, bei denen häufig, durch exogene Faktoren induziert, ein fakultativer Farbkern auftritt. Dieser Farbkern, bei Buche auch Rotkern genannt, kann in Ausprägung, Größe und Form stark variieren. In den häufigsten Fällen wird der Rotkern durch Stammverletzungen ausgelöst, indem durch das Eindringen von Sauerstoff phenolische Inhaltsstoffe gebildet werden. Diese hochmolekularen Verbindungen werden nicht in die Zellwand eingelagert, so dass sich die Dauerhaftigkeit des Rotkerns nicht erhöht. Die technologischen Eigenschaften des rotkernigen Buchenholzes werden mit Ausnahme der Thyllenbildung nicht beeinträchtigt, so dass das Holz aufgrund der optisch ansprechenden Farbvariationen (bei entsprechender Oberflächenbehandlung) vielseitig verwendet werden kann. Die statische Stabilität und Holzfestigkeit, und damit die Standfestigkeit von Buchen wird durch solche Farbkerne nicht beeinträchtigt. (Quelle: Koch, Eigenheiten des rotkernigen Buchenholzes, 2014, Thüne-Institut).

H. Frommhold (2023): Holzkunde. Zu Rotkern und Spritzkern u.a. bei Buchen ab Seite 74 ff

Unter anormaler Kernbildung (auch Fehlverkernung, fakultative Verkernung oder Falschkern) wird die Umwandlung von Splintholz zum Farbkern bei Holzarten verstanden, die normalerweise kein obligatorisches Kernholz ausbilden. Rotkern bildet sich bei Buche durch Verthyllung (Gefäßverschluss), Oxydation und Farbstoffeinlagerung, also Farbveränderung im Kernholz. Im Zuge dieser Verthyllung verliert das Kernholz seine Wasserleitungsfähigkeit. Diese Farbveränderungen schreiten von innen nach außen fort. Rotkern ist die am häufigsten vorkommende Variante der Falschverkernung bei Buche. Der Spritzkern unterscheidet sich durch seine zackige sternförmige äußere Begrenzung auf dem Stammquerschnitt gegenüber der wolkenartigen Begrenzung bei Rotkern. Außerdem tritt beim Spritzkern eine Anhäufung von Kerninhaltsstoffen besonders im äußeren Randbereich des Kernes auf. Rot- und Spritzkern sind in erster Linie Farbveränderungen, welche die Festigkeitseigenschaften des Holzes nicht wesentlich verändern.

 

 

Bildstrecke: Baumfällungen im Wald am Mondsteinweg, 14. April 2022

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