Der Beschluss des Umweltausschusses am 14.1.2020 zum Bielefelder Waldkonzept geht nach Auffassung der vier Umweltverbände zwar in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Denn für ein „zukunftsfähiges Naturwaldkonzept“ reicht die bloße Bezugnahme auf die Grundsätze der Arbeitsgemeinschaft für Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) nicht aus. In ihren „Ökologischen Grundsätzen Naturgemäßer Waldwirtschaft“ nennt die ANW zwar wichtige Aspekte der naturnahen Waldbewirtschaftung, denen die Bielefelder Naturschutzverbände grundsätzlich auch zustimmen. Die „Grundsätze“ lassen aber jegliche Quantifizierung vermissen, sodass die Erreichung der Ziele nicht ermittelt werden kann. Das Erreichen quantitativer Ziele ist aber unverzichtbar, wenn sich der Bielefelder Kommunalwald tatsächlich hin zu mehr Naturnähe weiterentwickeln soll.
Die Standards und Richtlinien der Zertifizierungssysteme FSC (Forest Stewardship Council) und Naturland geben geeignete quantitative Zielsetzungen für eine ökologische Waldnutzung vor. Diese Zertifizierungssysteme werden sowohl vom Bundesamt für Naturschutz als auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung als hochwertig anerkannt. Die Bielefelder Naturschutzverbände sehen daher eine FSC- oder Naturland-Zertifizierung als unabdingbaren Bestandteil eines zeitgemäßen Naturwaldkonzeptes an, so wie dies auch in vielen anderen deutschen Städten längst der Fall ist. Die neu einzurichtende Stelle im Forstbetrieb, die von den Verbänden ebenfalls grundsätzlich begrüßt wird, sollte daher als eine ihrer Aufgaben auch die Zertifizierung des Körperschaftswaldes von Stadt und Stadtwerken Bielefeld nach hochwertigen ökologischen Standards vorbereiten und durchführen.
Eine ausführliche Begründung dieser Forderung enthält bereits das „Naturwaldkonzept Bielefeld“, das die vier Verbände im Jahr 2012 vorgelegt haben und zu dessen Umsetzung sich die Paprikakoalition laut Koalitionsvertrag 2014 bekannt hat. Dieses Konzept enthält weitere quantitative Kriterien für eine konsequente kommunale Naturwaldwirtschaft, die nach Auffassung der Verbände ebenfalls im neuen städtischen Naturwaldkonzept enthalten sein müssen. Die Kriterien betreffen u.a. die Lage und Größe der Referenzflächen, die Erhaltung aller Bäume über 140 Jahre, das bis zum Beschluss des Konzepts befristete Moratorium zur Erhaltung aller Bäume über 100 Jahre, die Anzahl und Verteilung von definierten Altholzinseln, die gesteuerte Entwicklung von Vorratsbäumen zum Ersetzen natürlicherweise abgängiger Biotopbäume sowie die räumliche und zeitliche Gliederung von Horstschutzzonen. Im Sinne der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie von Bund und Land fordern die Umweltverbände, schrittweise 10 % des stadteigenen Waldes aus der forstlichen Nutzung zu nehmen und als Referenzflächen auszuweisen.
Wünschenswert wäre darüber hinaus eine intern verbindliche Richtlinie zur bodenschonenden Holzentnahme unter Minimierung von Anzahl und Größe der Rückegassen. Dem Rat, der Verwaltung und den Stadtwerken wird die Lektüre und Berücksichtigung des „Naturwaldkonzepts Bielefeld“ der Naturschutzverbände einschließlich seiner ausführlichen Begründung dringend empfohlen (s. Quellenhinweis).
Eine erste Maßnahme des guten Willens sollte sein, für jeden im Privatwald gekennzeichneten und privat finanzierten Patenbaum im Patenbaumprojekt des NABU und der Kreisjägerschaft Bielefeld jeweils zwei weitere Biotopbäume (je einen aus dem Stadtwald und dem Stadtwerkeforst) zu markieren und dauerhaft zu erhalten und auf diese Weise das Engagement der privaten Baumpaten zu würdigen und zu stärken.
Der städtische Umweltbetrieb wird aufgefordert, die Ziele und Maßnahmen des „zukunftsfähigen Naturwaldkonzepts“ auch im aktuell zu erstellenden Forsteinrichtungswerk zu verankern und dieses öffentlich bekannt zu machen. Zudem muss es als Baustein in die zu erstellende Biodiversitätsstrategie der Stadt aufgenommen werden.
Die Naturschutzverbände erwarten eine Verbände- und Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung des Naturwaldkonzepts und des Forsteinrichtungswerks, so wie dies derzeit in vorbildlicher Weise bei der Entwicklung des Labels „StadtGrün naturnah“ der Abteilung Grünunterhaltung des Umweltbetriebes erfolgt. Die späteren Erfolge der naturnahen Waldbewirtschaftung sollten regelmäßig erfasst, bilanziert und veröffentlicht werden.
Die Naturschutzverbände fordern die Verwaltung auf, die oben genannten Kernpunkte bei der Aufstellung des „Zukunftsfähigen Naturwaldkonzepts“ zu berücksichtigen, und erwarten von der Politik, die zeitnahe Erfüllung dieser Kernpunkte einzufordern und zu beobachten.
Die Vorsitzenden der Verbände:
NABU-Stadtverband Bielefeld e.V.: Dr. Jürgen Albrecht und Dr. Wiebke Homann BUND-Kreisgruppe Bielefeld: Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, Petra Schepsmeier und Jürgen Birtsch Naturwissenschaftlicher Verein für Bielefeld und Umgegend e.V.: Claudia Quirini-Jürgens pro grün Bielefeld e.V.: Michael Blaschke und Prof. Dr. Tilman Rhode-Jüchtern
Weitere Infos:
Naturwaldkonzept der Bielefelder Umweltverbände
Informationen zur Zertifizierung auf der Seite des BUND Hannover