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Die „Varenseller Leitung“ soll Fernwasser aus der Ruhr nach OWL transportieren

20. November 2024

Mit mehreren Fernwasserleitungen möchte die Gelsenwasser AG Wasser der Ruhr-Wasserwerke nach OWL transportieren. Quelle: Gelsenwasser AG

  • Gelsenwasser beantragt Planfeststellungverfahren für den Bau der „Varenseller Leitung“
  • Naturschutzverbände bezweifeln Bedarf
  • Stellungnahme im „Scoping-Verfahren“

Detmold, 19.11.2024 | Die Gelsenwasser AG möchte Ruhr-Wasser bis nach Bielefeld verkaufen. Mit den Stadtwerken Bielefeld wird dazu eine Kooperation angestrebt, über die die politischen Gremien der Stadt seit dem Frühjahr 2024 beraten. Voraussetzung für eine solche Fernwasserlieferung sind neue Leitungen von Beckum bis Bielefeld. Die Gelsenwasser AG hat jetzt für drei dieser Leitungen Planfeststellungsverfahren beantragt. Das Verfahren über die „Varenseller Leitung“ von Wiedenbrück nach Verl wurde am 19.11.2024 mit einem sogenannten „Scoping-Termin“ eröffnet. Die NRW-Naturschutzverbände, die am 24.10.2024 eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben hatten, wurden dabei durch den BUND vertreten.

Gelsenwasser begründet Bedarf mit stark steigendem Wasserbedarf

Die Vertreter*innen der Gelsenwasser AG nutzten den Termin, um für den Bau zu werben. Klar wurde, dass für eine solche Fernleitung mit einer 30 Meter breiten Schneise in Natur- und Landschaft eingegriffen werden würde. Entlang der Trasse sind Naturschutzgebiete und Fließwässer betroffen.   Der BUND hat deutlich gemacht, dass für einen solchen Eingriff das öffentliche Interesse nachgewiesen werden muss. Das ist der Gelsenwasser AG bisher nicht gelungen.

Die Antragsteller behaupten pauschal, die Leitung sei notwendig um im Versorgungsgebiet weiterhin eine sichere Wasserversorgung zu gewährleisten.  Nachweise konnten dafür aber nicht vorgelegt werden. Dazu müssten z.B.  entsprechende aktuelle Wasserbedarfsprognosen und Wasserversorgungskonzepte vorliegen, die den Bedarf belegen. 

Die Gelsenwasser AG beruft sich auf den Klimawandel, nennt die zeitweise sinkenden Grundwasserstände und spricht davon, dass in den Dürrejahren 2018 bis 2020 Kapazitätsgrenzen erreicht worden seien. Eine kurze Phase, die nicht zu Notsituationen bei der Wasserversorgung geführt hat, wird auf die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte hochgerechnet. Ignoriert wird dabei die von Klimaforschern und dem Landesumweltamt (LANUV) prognostizierte langfristige Entwicklung, nach der bis 2070 von einer positiven Entwicklung der Grundwasserneubildung auszugehen ist.  Seriöse Bedarfsprognosen basieren deshalb immer auf dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre und blenden Extremjahre, die es ja seit 2023 auch mit extrem viel Niederschlägen gegeben hat, aus. Das fordert auch die Bezirksregierung beim Nachweis für die Erteilung von Wasserrechten.

Weniger Wasser aus der Aabachtalsperre?

Spannend wurde es beim Erörterungstermin, als es um das Wasser aus der Aabachtalsperre ging. Der Wasserverband Aabachtalsperre liefert einen erheblichen Teil des benötigten Trinkwassers im hier betroffenen Versorgungsgebiet (Rheda-Wiedenbrück, Rietberg, Verl). In den Trockenjahren 2018 bis 2022 musste der Wasserverband aufgrund geringerer Füllhöhe der Talsperre die Wasserabgabe drosseln. Wegen dieser Unsicherheit für die Zukunft müsse man sich im Gebiet auf den möglichen Ausfall dieser Lieferquelle vorbereiten, so die Gelsenwasser AG. Und deshalb müsse man eine Fernleitung bauen, mit der Wasser aus der Ruhr zugeleitet werden kann, das auch aus Talsperren stammt. Völlig ignoriert wird dabei, dass auch die Ruhrtalsperren ebenso wie die Aabachtalsperre in Trockenzeiten weniger Wasser speichern und abgeben können. Genau deshalb will jetzt das Land NRW das Ruhrverbandsgesetz so ändern, dass in Trockenzeiten die Wasserabgabe in die Ruhr gedrosselt werden kann. Wozu die Naturschutzverbände kritisch Stellung genommen haben, weil dann der ökologische Zustand der Ruhr verschlechtert würde.

Für das Versorgungsgebiet wird die Fernleitung nicht benötigt.

Die „Varenseller Leitung“ soll durch ein Versorgungsgebiet gebaut werden, das mit einem Netz von Wassertransportleitungen ausgestattet ist. So kann das Wasser der Aabachtalsperre und des Wasserwerks Mühlgrund in Verl-Varensell im Gebiet verteilt werden. Selbst zusätzliches Wasser aus der Ruhr ließe sich hier verteilen und zu den Haushalten transportieren. Die Fa. Gelsenwasser kann bisher nicht belegen, warum dafür eine Fernwasserpipeline mit 60 cm starken Rohren benötigt wird. Aber im Vortrag wurde auch offen gesagt, worum es dabei wirklich geht: Um die Durchleitung von Fernwasser in Nachbarkommunen. Womit sicher auch Bielefeld gemeint ist.

Dazu erklärt Dr. Manfred Dümmer von der BUND-Kreisgruppe Bielefeld: „Der BUND geht davon aus, dass die Leitung ein Wasserdrehkreuz OWL bedienen und den Markt für die Fa. Gelsenwasser erschließen soll. Das Fernwasser muss in der Ruhr bleiben, denn dort wird es gebraucht“.  Die Region OWL muss auf die eigene Wassergewinnung oder, wenn unbedingt nötig, auf regionale Vernetzung setzen. Vorstandsmitglied Adalbert Niemeyer-Lüllwitz ergänzt: „Die BUND-Kreisgruppe Bielefeld fordert eine gutachterliche Überprüfung des Wasserbedarfsnachweises entsprechender Kommunen und die Erarbeitung von Vorschlägen für die Erschließung zusätzlicher ortsnaher Grundwasser-Ressourcen.“ Wie es nach dem Wasserrecht vorgeschrieben ist.

Im Kreis Gütersloh werden Unternehmensinteressen hoch bewertet.

Die BUND-Kreisgruppe Gütersloh teilt in einer Presseerklärung die Einschätzung der Bielefelder. Im Wasserversorgungskonzept der Stadt Rheda-Wiedenbrück heißt es, der Bau der Fernleitungen sei einem künftig erhöhten Wasserbedarf geschuldet. Dieser entstehe auch durch zunehmende Ansprüche vorhandener und neuer Industrie- und Gewerbekunden, sagt Bernd Schüre. „Aktuell wird Rheda-Wiedenbrück von der VGW, einer Tochter der Fa. Gelsenwasser, über das vorhandene Netz versorgt, da das eigene Wasserwerk nur für die Firma Tönnies reicht“, ergänzt Dr. Birgit Lutzer, Mitglied im BUND-Kreisgruppenvorstand Gütersloh.

Großschlachterei mit hohem Wasserbedarf weiter auf Expansionskurs

Die Großschlachterei Tönnies, seit Neuestem „Premium Food Group“, strebt weiter nach Expansion. 2019 betrug ihr Wasserverbrauch mehr als 1,46 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr. Diese Menge wird fast vollständig vom Wasserwerk Rheda-Wiedenbrück gedeckt. Genaue aktuellere Zahlen werden unter Verschluss gehalten. Sollte dieser Verbrauch im Zuge geplanter Erweiterungen ansteigen, wäre das besonders kritisch in Trockenperioden. Andererseits hat die Fa. Tönnies mit dem Programm „Agenda t30“ Nachhaltigkeitsziele veröffentlicht, nach denen der Verbrauch von Trinkwasser halbiert werden soll. Diese Angabe ist vor einer Konkretisierung des Planfeststellungverfahrens zu klären, auch unter dem Gesichtspunkt, dass seit Jahren der Fleisch-Konsum sinkt.

BUND fordert anderen Umgang mit dem Allgemeingut Wasser.

Birgit Lutzer: „Die Verantwortlichen in der Verwaltung bewilligen Unternehmen immer mehr Entnahmen aus der vorhandenen Ressource Grundwasser. Dadurch verschärfen sie das Grundproblem“. Der BUND fordert deshalb Wasser-Sparmaßnahmen und eine andere Verteilung der Wasserressourcen. Eine sichere Trinkwasser-Versorgung muss Vorrang vor Gewinn-Interessen von Unternehmen haben.

Stellungnahme der Naturschutzverbände zur "Varenseller Leitung" (PDF)

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