Kreisgruppe Bielefeld

Weiterer Flächenfraß im Bielefelder Süden?

01. September 2021 | BUND, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz

Neues Gewerbegebiet auf Kosten von naturnaher Kulturlandschaft? BUND unterstützt Bürgerinitiative LEBENSRAUM SENNE

Naturnahe Kulturlandschaft an der Senner Straße mit Grünland und Baumreihen. Foto: BUND

Stück für Stück stirbt die bäuerliche Kulturlandschaft in Bielefeld. Nach der auf den Weg gebrachten Bebauung für eine Expansion von „Christinen Brunnen“ in Ummeln soll jetzt im Süden der Stadt an der Senner Straße eine weiteres, 12 ha großes Gewerbe- und Industriegebiet entstehen. Die Fläche ist aktuell als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und wird geprägt durch naturnahe landwirtschaftliche Nutzungen. Hier dominieren noch ökologisch wertvolles Grünland und kleine Ackerflächen, aufgelockert durch Feldgehölze und alten Baumbestand. Ein Hof, der vermutlich für das Gewerbegebiet abgerissen werden soll, ist umgeben von sehr alten Hofeichen. Einige Baumreihen sind als „Geschützte Landschaftsbestandteile“ geschützt, andere nicht. Insbesondere der wertvolle Alteichenbestand - mindestens 25 Eichen mit einem Umfang von ca. 150 cm bis ca. 260 cm (dokumentiert auf http://www.bielefelder-baeume.de/) hat eine unersetzliche ökologische Bedeutung. Ebenso schutzwürdig sind die Hecken- und Feldgehölze, kleine Bäche und Feuchtwiesen als Lebensraum für Pflanzen, Insekten und Tiere. Charakteristische Bewohner, die zum Teil auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen, sind Feldhasen, zahlreiche Vogelarten und verschiedene Fledermausarten. Dieser Landschaftraum ist Teil einer zusammenhängenden Freiraumverbindung vom Teutoburger Wald über den Sennefriedhof in Richtung der Reiherbachniederung und dient dem Biotopverbund.

Das Gebiet ist also ohne Zweifel ökologisch wertvoll und erhaltenswert. Laut Zielkonzept Naturschutz gilt das Gebiet als für den Naturschutz wertvoller Landschaftsraum. Leider ist es schon seit längere Zeit im Flächennutzungsplan als mögliches Gewerbegebiet ausgewiesen.

Für den Schutz des Gebiets und gegen ein neues Gewerbegebiet engagiert sich jetzt die „Bürgerinitiative LEBENSRAUM SENNE“, in der auch viele unmittelbar betroffene Anwohner mitarbeiten. In einem „Offenen Brief“ an die Stadt appellieren sie an Politik und Verwaltung: „Stoppen Sie die Planung des Gewerbegebietes JETZT und bewahren Sie 12 ha Landschaftsschutzgebiet dauerhaft für uns und für unsere nachfolgenden Generationen.“

Der BUND unterstützt dieses Engagement und fordert den Rat der Stadt auf, die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen. Gerade die aktuelle Klimakrise und der vom Rat beschlossene Klimanotstand erfordern aus Sicht des BUND eine Überprüfung aller Planungen, bei denen weitere Flächen versiegelt werden. Hochwasserkatastrophen haben deutlich gemacht, dass Niederschlagswasser möglichst an Ort und Stelle versickern sollte. Baumaßnahmen, die das Versickern von Wasser und die Grundwasseranreicherung verhindern, sind grundsätzlich fragwürdig. Zumal die Planungshinweiskarte der Stadt „Starkregenvorsorge und wassersensible Stadtentwicklung“ aus dem Klimaanpassungskonzept die Gefahrenlage klar verdeutlicht. Die Karte belegt, dass bei einem mit der Eifel bzw. dem Ahrtal vergleichbaren Regenereignis große Teile der Stadt überflutet werden können.

Das geplante Baugebiet steht damit im Widerspruch zum Klimaanpassungskonzept der Stadt. Die Klimaanalysekarten zeigen auch, da dieser Bereich schon überdurchschnittlich hoch belastet ist. Deshalb bewertet das Klimaanpassungskonzept das umliegende Gewerbegebiet Fabrikstraße und Enniskillener Straße als bebauten Bereich mit ungünstiger bis sehr ungünstiger thermischer Belastung mit dem Hinweis: „Erhalt und Entwicklung von Grünflächen, Gebäudebegrünung, Baumpflanzungen, Anlage begrünter Mulden, Rigolen, Entsiegelung von Flächen, Flächenversickerung, Förderung von Kühleffekten durch Verdunstung“. Für die benachbarten Wohngebiete ist das Planungsbiet unverzichtbar für den dringend erforderlichen Luftaustausch durch Kaltluftleitbahnen in Bezug auf die Hitzeentwicklung und die damit verbundenen Gesundheitsfolgen. Die Grün- und Freiflächen sind existenziell für die Kaltluftlieferungen.

Die Belastungen für dort lebende Menschen ist bereits immens: Sie werden u.a. geprägt durch

  • große Versiegelungsflächen u.a. durch den Wertstoffhof und andere Firmen
  • katastrophaler Straßenzustand und Parkplatzsituation
  • anliefernde LKW, die bereits am Vorabend in der Fabrikstraße parken
  • laufende Klimaanlagen und keine sanitären Möglichkeiten für die Fahrer
  • durchgängige Beleuchtung tagsüber und nachts
  • Nachtanlieferung, Arbeiten auch Sonn- und Feiertags
  • hohes Verkehrsaufkommen durch „Abkürzer“ zusätzlich zum Busverkehr

Diese Probleme würden durch ein weiteres Gewerbegebiet verschärft. Die Anwohner weisen besonders auf das damit verbundene höhere Verkehrsaufkommen hin, für das die Senner Straße nicht ausgebaut ist. Die Senner Straße verfügt auch nur einseitig über einen schmalen Fußgänger- und Radweg. Dieser ist nur durch Begrenzungspfosten von der Straße „getrennt“ und die Nutzung ist schon jetzt besonders für Schulkinder kritisch. Zudem wäre der zunehmende Verkehr mit LKW, auch nachts, mit erheblichen gesundheitsgefährdenden Lärmemissionen verbunden.

Die Sanierung von nicht genutzten, aber bereits versiegelten Flächen muss aus Sicht des BUND und der Bürgerinitiative Vorrang vor dem Flächenfraß haben. Es gibt in Brackwede und im gesamten Stadtgebiet Bielefeld viele versiegelte, ungenutzte Gewerbeflächen, die zukünftig über ein Flächenmanagement verwaltet und vorrangig genutzt werden müssten.

In Anbetracht der Klimakrise mit aktuellen katastrophalen Auswirkungen wie z.B. in den Hochwassergebieten im Ahrtal oder dem großflächigen Baumsterben muss SOFORT ein Umdenken erfolgen, so die Bürgerinitiative in ihrem Offenen Brief. „Natur braucht Raum. Tiere und Pflanzen brauchen Rückzugsgebiete, in denen sie ungestört leben können. Und Menschen brauchen Orte, an denen sie Natur in Ruhe genießen und erleben können.“

Bildstrecke: Geplantes Gewerbegebiet an der Senner Straße

Bildstrecke: Geplantes Gewerbegebiet Senner Straße - Hof Steinkröger mit zahlreichen Hofeichen, Streuobstwiese, Grünland und Feldgehölzen 

Bildstecke: Geplantes Gewerbegebiet Senner Straße  - Geschützter Gehölzstreifen im Südrand des Gebietes 

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