Der neue Regionalplan sorgt für viel Widerspruch bei den Bielefelder Umweltverbänden. Wird der Entwurf so umgesetzt, kommen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz in der Stadt unter die Räder, so die Verbände in einer Stellungnahme. Die Arbeitsgemeinschaft der Bielefelder Natur- und Umweltschutzverbände aus BUND, NABU, Naturwissenschaftlichem Verein und Pro Grün hat sich in verschiedenen Arbeitsgruppen seit November 2020 intensiv mit dem Regionalplan-Entwurf befasst. In einer Kurzfassung ihrer Stellungnahme fordern sie den Rat der Stadt auf, bei der jetzt laufenden Debatte und Entscheidungsfindung diese Bedenken sehr ernst zu nehmen.
„Hier wird offenbar ein Zielkonflikt einseitig zu Lasten des Natur- und Klimaschutzes gelöst“, so die Vorsitzende des Naturwissenschaftlichen Vereins und Vorsitzende des Naturschutzbeirates Claudia Quirini-Jürgens. Und der NABU-Vorsitzende Jürgen Albrecht ergänzt: „Das massive Arten- und Insektensterben ist offenbar bei den Stadtplanern noch nicht angekommen. Denn der Entwurf sieht vor, viele im alten Regionalplan noch gesicherte Bereiche zum Schutz der Natur und regionale Grünzüge ganz oder teilweise aufzuheben, damit dort Bebauungen möglich werden“. Das stände auch im Widerspruch zu politischen Bekenntnissen der Stadt als Mitglied im Bündnis „Kommunen für Biologische Vielfalt“.
Zu den im Regionalplan ausgewiesenen „Bereichen zum Schutz der Natur“ (BSN) legen die Verbände deshalb 25 detailliert begründete Änderungsvorschläge vor. Dazu gehört z.B. auch die endgültige Unterschutzstellung des Johannisbach-Tals unterhalb des Obersees und die Streichung des immer noch im Regionalplan ausgewiesenen Untersees. „Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz sehen wir bei einer Vielzahl der neu angemeldeten Baugebiete“, so Thomas Keitel, Beauftragter der Landesgemeinschaft Natur und Umwelt NRW (LNU) für den Regionalplan. Von den 63 als Baugebiete zeichnerisch dargestellten Flächen tangierten 71 % Landschaftsschutzgebiete, dabei z.T. sogar Naturschutzgebiete und FFH-Schutzgebiete. 62 % unterbrechen bedeutende Biotopverbund-Achsen und 38 % sehen Bebauung in unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen vor.
Viele der neu für die Regionalplanung von der Stadt angemeldeten Baugebiete stehen aus Sicht der Umweltverbände besonders im Widerspruch zum Klimaschutz. „Mit möglichen Baugebieten im Umfang von über 1000 Fußballfeldern wird der Flächenverbrauch ungebremst fortgesetzt. Damit wird der Zielkonflikt zwischen Wachstum der Stadt und dem Klimaschutz einseitig zu Lasten des Klimaschutzes gelöst“, erklärt dazu der Sprecher von Pro Grün Tilman Rhode-Jüchtern. In Anbetracht der Dramatik der Klimaerwärmung müsse dem Klimaschutz in dieser Stadt eine hohe Priorität eingeräumt werden. Mit der Ausrufung des Klimanotstandes habe sich der Rat der Stadt auch dazu bekannt. Jetzt müssten dieser Absichtserklärung auch Taten folgen. „Daraus folgt, dass die für das Stadtklima besonders wichtigen Grünflächen, insbesondere die Kaltluftentstehungsgebiete und Frischluftschneisen, besonders geschützt werden müssen“, stellt Dieter Kammerer fest, der als Mitglied des Klimabeirates bei der Überprüfung der neuen Siedlungsflächen massive Widersprüche zum Klimaanpassungskonzept der Stadt festgestellt hat.
In Bielefeld als wachsender Stadt mit wachsendem Wohnraumbedarf ist aus Sicht der Umweltverbände eine flächensparende Stadtentwicklung das Gebot der Stunde. Der Mehrbedarf an Wohnungen müsse vorrangig durch städtebauliche Nachverdichtung, Aufstockung, Ausweisung kleinerer Grundstücke, Nutzung von alten Gewerbeflächen und eine allgemein höhere Geschossflächenzahlen gedeckt werden. Flächenfressende Neubaugebiete mit vorwiegend Einzelhäusern ständen im deutlichen Widerspruch zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Eine besondere Bedeutung als Frischluftschneisen und Erholungsflächen kommt in der Stadt den Grünzügen zu. Diese werden aber im Entwurf überhaupt nicht dargestellt und gesichert, kritisieren die Umweltverbände. Stattdessen würde sie sogar in Teilen durch mögliche Baugebiete überplant. Dazu erklärt BUND-Vorstandsmitglied Adalbert Niemeyer-Lüllwitz: „Mit der Meldung von zahlreichen Wohnbauflächen im Bereich wertvoller Grünzüge stellt die Stadt ihr Tafelsilber an Grünflächen zur Disposition! Besonders für das Stadtklima und die Naherholung müssen die Grünzüge am Schloßhofbach, in Gellershagen, an der Weser-Lutter und am Baderbach von Bebauungen frei bleiben.“ Dass dabei sogar für das Sozialleben und die Naherholung unverzichtbare Gartenanlagen überplant würden, sei absolut inakzeptabel. Über 500 Kleingärten liegen danach in potenziellen Baugebieten, also fast ein Viertel aller Bielefelder Kleingärten, haben die Umweltverbände ermittelt.
Zu diesen Themen und Problemen enthält die Stellungnahme eine Fülle an Daten und Fakten. Auf den Internetseiten der Verbände können sich Bürgerinnen und Bürger darüber informieren. „Wir fordern alle Bielefelder auf, sich hier einzumischen, denn es geht um eine weiterhin lebens- und liebenswerte Stadt Bielefeld“, so Claudia Quirini-Jürgens. Noch bis Ende März können dazu bei der Bezirksregierung Einwendungen eingereicht werden.
Stellungnahmen der Natur- und Umweltschutzverbände:
- Kurzstellungnahme der Umweltverbände zum Regionalplan (PDF)
- Stellungnahme zu den neuen Siedlungs- und Gewerbeflächen (PDF)
- Übersicht: Bewertung der neuen Siedlungs- und Gewerbeflächen (PDF)
- Stellungnahme zur Sicherung der regionalen und innerörtlichen Grünzüge (PDF)
- Stellungnahme zum Gewässerschutz (PDF)
- Stellungnahme zum Thema Verkehr (PDF)
- Stellungnahme zu "Bereichen zum Schutz der Natur" (BSN)
Weitere Informationen:
- Vortrag des BUND auf der Infoveranstaltung am 23.2.
- Pressemittteilung der Umweltverbände
- Seite von "Bielefeld natürlich" zum Regionalplan mit interaktiver Karte aller geplanten neuen Baugebiete und Link zur Onlinebeteilgung
- Seite Regionalplan der Bezirksregierung
Kontakt für Einwendungen: Bezirksregierung Detmold, Leopoldstraße 15, 32756 Detmold, Dezernat 32, Tel.: 05231 71-3299, Fax: 05231 71-82 3299
beteiligung-regionalplanowl(at)bezreg-detmold.nrw.de - Link zum Online-Beteiligungsverfahren