Kreisgruppe Bielefeld

OWL-Naturschutzverbände boykottieren Erörterungstermine zum Regionalplan

29. September 2022 | BUND, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz

„Regionalplanungsbehörde ignoriert berechtigte Anliegen des Naturschutzes“ - Pressemitteilung der OWL-Naturschutzverbände

Detmold 29.09.2022 | Mit großen Hoffnungen auf eine intensive Beteiligung und Berücksichtigung von Bedenken haben Natur- und Umweltschutzverbände in OWL vor über einem Jahr zum neuen Regionalplan Stellung genommen. Die jetzt vorgelegte Erörterungsgrundlage ist aus Sicht der Verbände eine große Enttäuschung. Je nach Region seien 70 bis 95 Prozent der Anregungen und Bedenken der Naturschutzverbände pauschal mit dem Satz „Dieser Anregung wird nicht gefolgt“ abgewiesen worden. Aus Protest gegen diesen Umgang mit erforderlichen Änderungen aus ihren fundiert vorgetragenen Bedenken haben die Naturschutzverbände angekündigt, die jetzt zum Regionalplan angesetzten Erörterungstermine zu boykottieren.

„Wie die Regionalplanungsbehörde mit den Einwänden der Naturschutzverbände umgeht, nahezu alle ernsthaft vorgetragenen Bedenken in den Papierkorb wirft, das hat mit einem demokratischen Beteiligungsverfahren nichts mehr zu tun“, kritisiert der Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL Karsten Otte. Und für den BUND ergänzt Adalbert Niemeyer-Lüllwitz: „Die Regionalplanungsbehörde entscheidet so für weiteren ungebremsten Flächenfraß und gegen den Naturschutz, als wenn es Artensterben und Klimakrise nicht geben würde“.

Zum Entwurf des Regionalplans für Ostwestfalen-Lippe, der für die nächsten 20 Jahre den planerischen Rahmen sowohl für die Siedlungsentwicklung als auch für die Sicherung von Naturschutzflächen festlegt, hatten die Naturschutzverbände eine umfangreiche Stellungnahme in das Beteiligungsverfahren eingebracht. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verbände hatten Daten aus allen Teilen des Regierungsbezirkes zusammengetragen und den Regionalplanern mit über 700 Einzelanregungen Hinweise und Bedenken vorgelegt. Davon wurde, so die Verbände in einer Stellungnahme, fast nichts in die jetzt vorliegende Erörterungsunterlage übernommen.

Zu kritisieren sei besonders der Beschluss des Regionalrates für den sogenannten „Entscheidungskompass“. Danach solle nur in absoluten Ausnahmefällen Einwendungen gefolgt werden. „Dass jede Diskussion über konkrete Flächen auf den Erörterungsterminen kategorisch ausgeschlossen werden soll, macht diese Termine zu einer Farce“, erklärt dazu für den NABU Lothar Meckling. Und weiter: „Damit wird auch der gesetzliche Auftrag aus dem Landesplanungsgesetz NRW, in der Erörterung einen Ausgleich der Meinungen anzustreben, unterlaufen. Wenn der Regionalrat und die Bezirksregierung an einem Konsens interessiert sind, muss das Verfahren geändert werden“. Die Verbände fordern deshalb Regierungspräsidentin Bölling auf, diese aus ihrer Sicht „dramatische planerische und verfahrensmäßige Fehlentwicklung“ zu korrigieren und eine inhaltliche Erörterung aller Einwände zu ermöglichen.

„Erschreckend ist für uns, dass selbst Wünsche der Kommunen und Kreise nach Zurücknahme von neuen Siedlungsflächen abgelehnt werden. Anstrengungen von Kommunen für eine flächenschonende Siedlungsentwicklung werden so völlig unterlaufen“, kritisiert Uta Greuner-Lindner von der Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz (GNU/LNU).

„Offensichtlich soll der Plan weitgehend unverändert und so schnell wie möglich durchgezogen werden. Der Planentwurf gehört aber angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise grundsätzlich auf den Prüfstand“, fordert dazu Ullrich Richter, Vertreter der Naturschutzverbände im Regionalrat. Würde dieser Regionalplan so beschlossen, gingen weitere Hunderte von Hektar ökologisch wertvoller Freiflächen künftig für den Schutz von Flora und Fauna verloren. Sogar bisher als „Bereiche zum Schutz der Natur“ gesicherte Flächen würden gestrichen. Auch für das wertvollste Naturgebiet von NRW, der Senne mit der angrenzenden Egge, müsse unbedingt an der Zielfestsetzung „Nationalpark“ für die Zeit nach der militärischen Nutzung festgehalten werden. Stattdessen weitere rund 12.000 Hektar für Bebauungen vorzusehen sei in Anbetracht des Artensterbens eine fatale Entscheidung der Regionalplaner*innen, so die Naturschutzverbände zur Begründung ihres Protestes.

Sollte an dem Verfahren so festgehalten und der Regionalplan ohne ausreichende Berücksichtigung der Belange des Natur- und Klimaschutzes beschlossen werden, kündigen die Naturschutzverbände schon jetzt eine juristische Überprüfung an. Dazu verweisen die Verbände besonders auf das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Politik und Verwaltungen dazu zwingt, Klimaschutz stärker als bisher bei Planungen zu berücksichtigen.

Schreiben des Landesbüros der Naturschutzverbände an die Bezirksplanungsbehörde

Übersicht: „Ausgleichsvorschläge“ zu Einwänden der Naturschutzverbände 

Regionalplan 2020 – Umgang mit den Stellungnahmen der Bielefelder Natur- und Umweltschutzverbände durch die Bezirksplanungsbehörde

„Ausgleichsvorschlag“ zu Einwänden der Naturschutzverbände

Zu neuen Allgemeinen Siedlungsbereichen (ASB) und neuen Gewerbe- und Industrieflächen(GIB): Der Anregung wird nicht entsprochen,  33 x

Zu Regionalen Grünzügen (RGZ): Der Anregung wird nicht entsprochen, 14 x

Bereiche zum Schutz der Natur (BSN): Der Anregung wird nicht entsprochen, 21 x

ASB und BSN: Der Anregung wird entsprochen (ASB 127 und BSN Johannisbachaue -Untersee) 2 x

RGZ Theesen: Der Anregung wird überwiegend entsprochen,  1 x

Der Anregung wird teilweise entsprochen (ASB 094 Poggenpohl, 096, 112, 129),  4 x

Die Anregung wird zur Kenntnis genommen / Der Hinweis wird zur Kenntnis genommen: 19 x 

Anmerkungen: Bei den vier ASB, bei denen Bedenken teilweise gefolgt wird, soll jeweils nur die vorgesehene Fläche eher geringfügig zurück genommen werden (z.B. ein Streifen am Babenhausener Bach). Damit bleiben die meisten Flächen, die auch die Stadt Bielefeld nach ihrer Stellungnahme streichen möchte, im Regionalplan als ASB bzw. GIB drin.

Standardbegründung der Bezirksplanungsbehörde:

ASB/GIB: „Der vorgesehen ASB ist aus überörtlicher Sicht gut für die Aufnahme ASB-typischer Nutzungen geeignet. Im Rahmen der Umweltprüfung festgestellte Auswirkungen lassen sich im Rahmen der Bauleitplanung angemessen berücksichtigen. Dabei können auch Grün- und Freiflächen festgesetzt werden“

BSN: „Weitere Flächen im Regionalplan als BSN festzusetzen, setzen eine besonders hohe Schutzwürdigkeit voraus, die in diesem Fall nicht vorliegt. Die genannten Flächen werden nach dem Fachbeitrag des LANUV nicht mit der Biotopverbundstufe 1 für BSN bewertet“. Im Prinzip werden nur vorhandene Naturschutzgebiete als BSN ausgewiesen. Neue sollen nicht dazu kommen.

Gesamtergebnis: 

Bei 68 konkreten Flächen werden die Anregungen und Bedenken der Naturschutzverbände pauschal zurückgewiesen. Das sind 91 % aller gut begründeten Anregungen. In vier Fällen wird den Bedenken teilweise (aber eher geringfügig) gefolgt, nur in zwei Fällen heißt es „Der Anregung wird entsprochen“. Darunter ist der Vorschlag, die Johannisbachaue nicht mehr als Stausee, sondern als Bereich zum Schutz der Natur auszuweisen. Dabei handelt es sich um eine seit Jahren unstreitige Planung.

 

 

 

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