Kreisgruppe Bielefeld

Herforder Straße vom (Mobilitäts-)Ziel her planen und nicht von Prognosen aus

05. März 2024 | BUND, Klimawandel, Mobilität, Verkehr

Erklärung des Bündnisses Verkehrswende OWL zum Planungsprozess für einen Ausbau der Herforder Straße und den Bau eines Radschnellweges

Herforder Straße - Trasse für den geplanten Radschnellweg. Foto: BUND

Bielefeld, 5.3.2024 | Vom Prinzip her sind sich alle einig. Straßen.NRW, Stadt, Politiker, Bürger: Um Co2 zu reduzieren, müssen Staus und stop-and-go verringert werden. Um Stau zu vermeiden, ist der Verkehrsfluss zu verstetigen. Das heißt, die Anzahl an Spuren muss angeglichen werden. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Vierspurig oder zweispurig?

Dazu überreichte das Bündnis Verkehrswende OWL im Rahmen der Sitzung des Stadtentwicklungsausschuss am 5. März die nachfolgende Stellungnahme zu den Planungen der Stadt. 

Straßen.NRW verschärft mit seinem Straßenbauprojekt L712n die Engstellenproblematik und bietet keine Lösungen an. Während Straßen außerorts theoretisch so breit werden können „wie man will“, ist der Platz stadteinwärts begrenzt. Alles, was man durch eine breitere Herforder Straße außerorts erreicht, ist, dass sich die Engstelle stadteinwärts verlagert, wo aufgrund der engen Bebauung und der Sicherung des Schulweges spätestens am geplanten Schulcampus Seidensticker eine Zweispurigkeit gesetzt ist.

Irgendwo zwischen Anschlussstelle der L712n und Jahnplatz wird es aufgrund ungleicher Querschnitte Engstellen geben. Im schlimmsten Fall entsteht der Stau dort, wo Menschen nicht so leicht das Verkehrsmittel wechseln können, da P+R nicht vorhanden bzw möglich ist. Daher fordert Verkehrswende OWL die Politik auf:

1. Die Stadt Bielefeld soll die Aufteilung des Straßenraums vom Ziel her pla.nen Die Stadt Bielefeld hat die Mobilitätsstrategie 2030 und die Realisierung eines Radschnellwegs von Herford durch Bielefeld nach Gütersloh beschlossen. Im beidseitig bebauten Bereich der Herforder Straße ist der Bau von Radwegen nur durch Flächenumverteilung vom KfZ zum Fahrrad möglich. Dort stehen künftig nur noch zwei Spuren für den KfZ-Verkehr zur Verfügung.

2. Die Stadt Bielefeld soll die Herforder Straße von der engsten Stelle aus planen Stauvermeidung heißt auf Engstellen zu verzichten. Also durchgängig gleiche Querschnitte zu bauen. Das bedeutet, dass die gesamte Herforder Straße vom Jahnplatz bis zur Milser Straße zweistreifig ausgeführt werden soll. Hoher Verkehrsfluss, da keine Engstelle. Auch an den Kreuzungen wird sich der Verkehr gleichmäßiger verteilen, da sich nicht mehr KfZ auf der Herforder Straße ansammeln können, als in die ebenfalls zumeist zweistreifigen Nebenstraßen abfließen kann. Eine Zweistreifigkeit ist bei 800-1800 KfZ/h möglich. Auf der Herforder Straße sind zwischen 6-22 Uhr durchschnittlich ca. 1500 KfZ/h unterwegs.  1) Zu Stoßzeiten vorhandene Mehrverkehre werden künftig auf andere Verkehrsmittel umgeleitet. Dies betrifft in erster Linie Pendler.

3. Die Stadt Bielefeld soll die Engstelle strategisch dort platzieren, wo eine Verkehrsverlagerung komfortabel möglich ist Die Stadt Bielefeld wird nur eine begrenzte Anzahl an KfZ über die Herforder Straße in die Innenstadt weiterleiten. (Kapazität eines zweistreifigen Umbaus). Die darüberhinausgehenden Verkehre wird die Stadt Bielefeld angemessen und möglichst frühzeitig, also in der Nähe der Anschlussstelle der L712n, umlenken: Am Bahnhof Brake, an der Stadtbahn-Haltestelle Milse und an der Kreuzung Milser Straße/ Herforder Straße wird P+R ausgebaut (KfZ, Fahrrad). Ein Radschnellweg führt von Herford nach Bielefeld. Die Stadt Bielefeld setzt sich dafür ein, dass das S-Bahnkonzept OWL in Bezug auf den SPNV - Korridor Bielefeld-Brake-Herford vorgezogen und beschleunigt geplant wird.

4. Alternativen sind annähernd gleichwertig. Der Umstieg an dieser Stelle ist sinnvoll. Die Menschen, die heute mit Auto fahren, würden, wenn sie künftig z.B. aufs Fahrrad umsteigen, in ähnlicher Zeit am Ziel ankommen wie heute: Die Reisezeit ist für Fahrrad und Auto ab Milser Straße/ Herforder Straße Richtung Innenstadt in etwa gleich. (Hinweis: Die Parkplatzsuche ist hier nicht mit eingerechnet. Während man mit dem Fahrrad sehr nah ans Ziel heranfahren kann, muss für das KfZ erst ein zumeist entfernter Stellplatz gefunden werden.) Mit der Stadtbahn braucht man 16 Minuten von Haltestelle Milse bis Rathaus. Vom Bahnhof Brake wäre man in 6 min am Hauptbahnhof Bielefeld bzw. in ebenfalls 16 min am Rathaus.

5. Wer keine Straßen sät, wird keinen Verkehr ernten! Das in der Volkswirtschaftslehre seit 200 Jahren bekannte Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt auch beim Verkehr: Wenn das Angebot an schnellen Verbindungen verbessert wird, wächst die Nachfrage. (Induzierter Verkehr). Menschen wenden durchschnittlich seit Jahrhunderten gleich viel Zeit für Mobilität auf. (Wissenschaftliche Erkenntnis) 2) Schnelle Verbindungen ergeben eine Zeitersparnis. Aufgrund der Zeitersparnis werden weiter entfernte Ziele angesteuert. Der Einzugsradius vergrößert sich. Das gleiche gilt aber auch anders herum: Wenn die Stadt Bielefeld die Herforder Straße nicht durchgängig vierstreifig ausbaut, wird es keine Zeitersparnis geben. Der Einzugsradius vergrößert sich nicht. Die zusätzlichen, prognostizierten ca. 5000 KfZ/ 24h werden nicht kommen! Wird KfZ- Verkehr „langwieriger“, werden Menschen umsteigen oder Wege vermeiden. Dauerhaft im Stau steht keiner. (Wissenschaftliche Erkenntnis) 3)

Nach dem Umbau wird die Reisezeit bei Fahrrad und ÖPNV in etwa gleich bleiben wie heute. Beim KfZ wird sie sich, sofern niemand umsteigt, verlängern. Der Umstieg vom KfZ hin zur Nahmobilität wird damit attraktiv(er). Ein Dauerstau im Anschlussbereich L712n/ Herforder Straße ist nicht zu befürchten. Baut man neue Straßen, bekommt man mehr Autoverkehr. Baut man neuen Straßen nicht, bleibt es wie es ist. Auch in der Hinsicht trifft die Prognose von Straßen.NRW eine falsche Grundannahme.

6. Die Stadt Bielefeld soll ihre Haltung gegenüber Straßen.NRW kommunizieren Die Stadt Bielefeld soll sich gegenüber Straßen.NRW klar positionieren: Sie wird nur eine begrenzte Anzahl an KfZ über die Herforder Straße in die Innenstadt weiterleiten. (Kapazität eines zweistreifigen Umbaus). Verkehr, der darüber hinaus in die City geleitet wird, wird auf andere Verkehrsmittel umgelenkt. Es ist also „überflüssig“ ein so großes Kreuzungsbauwerk und noch dazu ohne angemessene Berücksichtigung des Radverkehrs zu erstellen. Es ist überdimensioniert. Fazit: Die Herforder Straße wird am Ende den Auto-Verkehr kriegen, für den sie ausgelegt ist. Die Entscheidung, wie viel Autoverkehr die Herforder Straße aufnehmen soll, und ob und wenn ja wo Stau entsteht, liegt in den Händen der Bielefelder Politiker.

gez. Dr. Barbara Burghardt, Dr. Godehard Franzen, Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, Anette Schulte, Thomas Keitel für „Verkehrswende OWL“

1) https://anwendungen.bielefeld.de/bi/to0050.asp?__ktonr=219232 -> 25.000 KfZ/ 24h x 0,06 =1500 KfZ/h (durchschnittlich; zwischen 6-22 Uhr); 2200-2400 KfZ/h in der Spitze. Man wird hier nicht die Spitzenstunden als Bemessungsgröße heranziehen. Dann wäre die Straße die meiste Zeit des Tages überdimensioniert. Eine Zweistreifigkeit reicht also in der allermeisten Zeit des Tages aus. Und zwar in Bezug zu der jetzigen wie zu der durch die L712n verursachten KfZ-Zahlen. (30.000 KfZ/ 24h x 0,06 =1800 KfZ/h). Die Spitzenstunden entstehen hauptsächlich durch Pendlerströme. Ziel muss es sein, eben diese Pendlerströme auf andere Verkehrsmittel umzuleiten. Ein Dauerstau ist nicht zu befürchten. Leute werden zu anderen Zeiten, auf anderen Routen, zu anderen Orten, seltener oder gar nicht mehr mit Auto fahren.

2) https://www.zukunft-mobilitaet.net/5299/analyse/konstantes-reisezeitbudget-marchetti-konstante- verkehrsgenese-yacov-zahavi/

3) https://issuu.com/landorlinks/docs/cairns-hass-klau-goodwin-1998

Erklärung Bündnis Verkehrswende zum Ausbau Herforder Straße (PDF)

 

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