Kreisgruppe Bielefeld
Jetzt spenden Mitglied werden

Fernwasserleitung: Macht der Umweltausschuss jetzt den Weg frei?

12. Januar 2025 | BUND, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Ressourcen & Technik, Verbraucher

Am 15. Januar berät der AfUK erneut über die Fernwasserkooperation mit der Fa. Gelsenwasser AG. Fachliche Bedenken wurden nicht ausgeräumt und viele Fragen sind noch offen.

Ruhr im Bereich des Wasserwerkes Echthausen, dass ab 2030 über eine Fernwasserpipeline Ruhrwasser nach Bielefeld liefern soll. Fotos: BUND-Archiv

Bielefeld, 12.01.2025 | In der AfUK-Sitzung am 15. Januar 2025 und in voraussichtlich der nächsten Ratssitzung sollen jetzt Beschlüsse zum Wasserversorgungskonzept 2024 und für eine Fernwasserkooperation mit der Fa. Gelsenwasser AG gefasst werden, obwohl viele offene Fragen zu den Vorlagen nicht geklärt und berechtigte Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten. In einem Schreiben an die Mitglieder des AfUK und des Rates bekräftigt der BUND seine mehrfach vorgetragen Kritik und ergänzt sie um aktuelle Informationen. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:   

  1. In drei Sitzungen des AfUK gelang es nicht, die Bedenken dieses für Umwelt- und Wasserbelange zuständigen Fachausschusses auszuräumen. Im Protokoll der Sitzung vom 1.10.2024 ist eindrucksvoll nachzulesen, dass die Stadtwerke die Notwendigkeit eines Fernwasserbezugs von Ruhrwasser nicht belegen konnten. Zudem wurden Defizite des vorliegenden Wasserversorgungkonzeptes benannt.
     
  2. Eine Entscheidung für einen Fernwasserbezug aus der Ruhr wäre ein Novum in der Geschichte der städtischen Wasserversorgung, die sich seit über 100 Jahren verlässlich auf ortsnahe Vorkommen stützt. Eine solch wichtige Entscheidung darf u.E. nicht nur auf Grundlage von Geschäftsinteressen, sondern muss auf Grundlage fundierter Bedarfsnachweise getroffen werden, welche den künftigen Einfluss des Klimawandels realistisch berücksichtigen. Gutachterliche Nachweise für einen solchen Bedarf konnten bisher nicht vorgelegt werden. 
     
  3. Die Notwendigkeit einer dauerhaften Ruhrwasserlieferung nach Bielefeld in Höhe von mind. 2,5 Mio. m³/a wird mit einer möglichen Bedarfssteigerung bis 2030 um 6,8 Mio. m³/a bzw. 36 % begründet. Für die Annahme eines solchen Mehrbedarfs liegt - wie im AfUK festgestellt wurde - kein gutachterlicher Bedarfsnachweis vor. Auf dieser Grundlage würde die Bezirksregierung kein zusätzliches Wasserrecht genehmigen. Darauf eine Millioneninvestition in eine Fernwasserleitung zu stützen, bewerten wir als fachlich falsch.
     
  4. Ein Fernwasserbezug von Ruhrwasser aus dem Netz der Fa. Gelsenwasser AG setzt voraus, dass von Beckum bis Bielefeld eine Fernwasserleitung vorhanden ist. Bis zum Anschlusspunkt einer Bielefelder Leitung in Varensell sind Leitungen erst geplant. Beim Scopingtermin für die „Varenseller Leitung“ am 19.11.2024 hat die Bezirksregierung angekündigt, im Rahmen des Verfahrens auch den Bedarf zu prüfen und dazu Nachweise zu verlangen. Die Naturschutzverbände haben dazu in einer Stellungnahme dargelegt, dass für das Versorgungsgebiet „Verl/Rietberg“ eine zusätzliche Fernwasserleitung nicht benötigt wird. Die Entscheidung, ob diese Leitung und die weiteren Leitungen genehmigt werden, ist offen. Deshalb kann aktuell noch keine seriöse Entscheidung über den Bau einer Bielefelder Fernwasserleitung getroffen werden.
     
  5. Der nach gutachterlichem Wasserbedarfsnachweis mögliche Mehrbedarf für eine langfristig sichere Bielefelder Wasserversorgung lässt sich durch Ausbau und Ertüchtigung der eigenen Wassergewinnung der Stadtwerke Bielefeld GmbH realisieren. Würden stattdessen 2,5 Mio. m³/a Fernwasser dauerhaft zugeleitet, könnte das zur Schließung von eigenen verlässlichen Wasserwerken führen, in die Millionen investiert wurden. Das wäre auch ein klarer Verstoß gegen die Wassergesetzgebung, die nach § 50 Absatz 2 Wasserhaushaltsgesetz eine prioritäre Nutzung verfügbarer ortsnaher Wasserressourcen vorschreibt.
     
  6. Zumindest sollte vor einem Vertrag mit der Fa. Gelsenwasser durch einen unabhängigen Gutachter die Möglichkeit zusätzlicher Grundwasserressourcen in Bielefeld und Umgebung geprüft werden. Dies betrifft auch den von den Stadtwerken vorgelegten Wasserbedarfsnachweis. Nur so ist es möglich, eine fachlich richtige Entscheidung pro oder contra Fernleitung zu treffen.
     
  7. Der vorliegende Entwurf eines Wasserversorgungskonzeptes 2024 entspricht u.E. nicht den gesetzlichen Anforderungen und ist an einigen Punkten als fehlerhaft zu überarbeiten. Konkret betrifft das z.B. die auch von der Bezirksregierung als wesentlich zu hoch bewerteten Leitungsverluste. Insbesondere fehlen auch Darstellungen zu Wassersparmöglichkeiten. Das Wasserhaushaltsgesetz und das auf dieser Grundlage von der Bezirksregierung veröffentlichte Merkblatt für den Wasserbedarfsnachweis fordern die Darlegung von Maßnahmen, wie der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser gesenkt werden kann. Dem AfUK wurde dazu in der letzten Sitzung ein Entwurf vorgelegt, der in erster Lesung beraten wurde. Wir weisen dazu darauf hin, dass es nicht genügt, zu diesen gesetzlichen Anforderungen ein gesondertes Papier zu beschließen. Eine Darlegung zum Thema Wassersparen muss u.E. in das Wasserversorgungskonzept mit aufgenommen werden.

Wir bitten darum, diese Bedenken und Anregungen bei der anstehenden Entscheidung zu berücksichtigen. Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass sich die Stadtwerke von März bis heute einer fachlich fundierten Diskussion – unsere Stellungnahmen zum Thema „Fernleitung“ wurden von Fachleuten mit langjähriger Berufserfahrung erarbeitet - im Detail verweigert haben. Aus Sicht der Naturschutzverbände sollte die immer von der Politik beschworene Bürgerfreundlichkeit anders aussehen. Es kann so der Eindruck erweckt werden, dass Fachargumente in der Politik nicht mehr von Bedeutung sind.

Weitere entscheidungsrelevante Hinweise können Sie unseren veröffentlichten Stellungnahmen entnehmen, die alle auf unserer Internetseite verfügbar sind.

Sollte der Rat der Vorlage für eine Fernwasserkooperation mit der Fa. Gelsenwasser AG jetzt zustimmen, behalten wir uns vor, Beschlüsse juristisch überprüfen zu lassen. 

Protokoll AfUK-Sitzung 1.10.2024 (PDF)

 

 

Zur Übersicht