Kreisgruppe Bielefeld
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Fernwasserleitung: BUND bittet Umweltministerium um Überprüfung

26. September 2024 | BUND, Klimawandel, Nachhaltigkeit

Umfassende Fachstellungnahme an den Rat - Fernwasserbezug widerspricht nachhaltiger Wasserstrategie

Bielefeld, 26.9.2024 | Im Streit um den Bau einer Fernwasserleitung, die Bielefeld künftig mit Wasser aus dem Ruhrtalsperren versorgen soll, legt der BUND jetzt nach: Mit einer an den Rat gerichteten 22-seitigen Fachstellungnahme wird die Notwendigkeit erneut in Frage gestellt. Zugleich wendet sich der BUND-Landesverband mit der Bitte um Überprüfung dieser Pläne an das NRW-Umweltministerium und die Bezirksregierung.  

Dazu erklärt BUND-Wasserexperte Dipl. Hydrogeologe Dr. Manfred Dümmer: „Wenn künftig dauerhaft ein erheblicher Teil des Bielefelder Trinkwassers aus den Ruhrtalsperren bzw. dem Wasserwerk Echthausen im Ruhrtal bezogen wird, kann es landesweit zu Fehlentwicklungen der Wasserversorgung führen. Die damit verbundene nicht ausreichende Ausschöpfung örtlicher Wasserressourcen steht im Widerspruch zu einer landesweit nachhaltigen Wasserstrategie. Deshalb muss dieser Plan vom zuständigen Ministerium überprüft werden. Nach § 50 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) muss Grundwasser vorrangig aus ortsnahen Vorkommen gefördert werden“.

Der BUND rät der Stadt Bielefeld, diese Überprüfung vor einer Entscheidung abzuwarten. Die Stadtwerke Bielefeld GmbH würden sich bei ihrem Plan, dem eine angenommene mögliche Zunahme des Wasserbedarfs bis 2050 um 36 % zu Grunde liegt, auf zweifelhafte Daten und fehlerhafte Annahmen stützen. Deshalb schlägt der BUND vor, dazu eine Klärung durch Hinzuziehung unabhängiger Sachverständiger herbeizuführen.

„Es geht bei diesen Entscheidungen um die langfristig sichere Versorgung mit unserem wichtigsten Lebensmittel. Diese weitreichenden Entscheidungen müssen aus unserer Sicht auf einer soliden, fachlich abgesicherten Grundlage erfolgen“, ergänzt für den BUND Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, Mitglied im Landesvorstand. „Die Bielefelder Wasserversorgung stützt sich auf eine wasserreiche Region. Selbst in der mehrjährigen durch Regenmangel geprägten Dürrephase 2018 - 2022 gab es hier im Unterschied zu anderen Regionen nie Versorgungsprobleme. Die Stadtwerke selbst haben noch Förderreserven in Höhe von 4,8 Mio m³ jährlich identifiziert. Das sollte genügen, um auch weitere Krisenzeiten und steigenden Wasserbedarf zu bewältigen“.  

Die Pläne der Stadtwerke gingen, so der BUND, von einem Fortschreiten des Klimawandels, einem ungebremsten Wirtschaftswachstum und einer dementsprechend ungebremsten Zunahme des Trinkwasserbedarfs aus. Die angenommene extreme Zunahme des Bedarfs um 36 % veranschauliche das eindrucksvoll. Auch dass im Konzept der Stadtwerke bisher Wassersparkonzepte keine Berücksichtigung finden, bringe das zum Ausdruck.

Das stehe im Widerspruch zu einer auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Stabilisierung des Wasserhaushalts ausgerichteten landesweiten Wasserstrategie. Dazu müsste auch Bielefeld seinen Beitrag leisten, z.B. durch Förderung der Grundwasseranreicherung. Ein „Weiter so“ im Umgang mit unserer wichtigsten Ressource dürfe es nicht geben.

BUND-Stellungnahme Fernwasserbezug (PDF)

BUND-Stellungnahme Wasserversorgungskonzept (PDF)

BUND-Stellungnahme (Nachtrag) (PDF)

BUND-Pressemitteiung Fernwasserbezug (PDF)

 

Zusammenfassung die wesentlichen Kritikpunkte

  1. Die rechtlichen und planerischen Voraussetzungen für eine Entscheidung über eine Fern­wasserleitung von Varensell bis Bielefeld (18 km) liegen noch nicht vor. Denn über die ab Beckum bis Varensell geplanten Fernwasserleitungen (ca. 38 km, Durchmesser 60/80 cm), ohne die kein Fernwasser nach Bielefeld fließen kann, ist noch nicht entschieden wurden.
     
  2. Eine dauerhafte kontinuierliche Fernwasserlieferung aus dem Ruhreinzugsgebiet entzieht Flusssystemen dort Wasser, steht damit Belangen des Natur- und Gewässerschutzes und einer sicheren Wasserversorgung von 4 Mio. Menschen im Ruhrgebiet entgegen.
     
  3. Ein Ziel der Fernwasserleitungen nach OWL ist es, für den Schlachtbetrieb der Firma Tönnies dauerhaft die unglaubliche Wassermenge von jährlich 1,4 Mio. m³ Trinkwasser aus dem Wasserwerk Rheda-Wiedenbrück bereit zu stellen. Diese Wassermenge fehlt letztlich zur Versorgung der Stadt Rheda-Wiedenbrück. Stattdessen sollte das Unternehmen konsequent Maßnahmen des sparsamen Trinkwassereinsatzes umsetzen.
     
  4. Nach den verfügbaren und ausgewerteten Informationen und Daten besteht am Bau einer Fernwasserleitung aus dem Ruhreinzugsgebiet nach Bielefeld, an der geplanten Fernwasserlieferung von 2,5 Mio. m³/a und der dazu geplanten Gründung eines neuen Unternehmens aktuell kein öffentliches Interesse.
     
  5. Die Bielefelder Wasserversorgung ist auch bei Annahme erheblicher Bedarfssteigerungen, bei einer angenommenen ungünstigen Entwicklung der Grundwasserstände, bis zum Jahre 2050 gesichert. Viele von den Stadtwerken Bielefeld GmbH (SWB) zur Begründung vorgelegten Zahlen sind nicht belegt bzw. nicht überprüfbar. Konkret wird im Wasserversorgungskonzept die angenommene mögliche Zunahme des Trinkwasserbedarfs bis 2050 um 36 % nicht belegt.
     
  6. Nach den vorliegenden Klimadaten und den Prognosen zur Grundwasserneubildung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV NRW) werden die von den SWB selbst ermittelten Ausbaupotenziale in Höhe von 4,75 Mio. m³/a auch bei einem ungünstigen Verlauf im Sinne eines Worst-Case-Szenarios den Mehrbedarf bis 2050 decken.
     
  7. Wird stattdessen künftig über eine dauerhaft durchflossene Fernwasserleitung eine Menge von mindestens 2,5 Mio. m³/a (potenziell über 4, 0 Mio. m³/a) vom Ruhrgebiet nach Biele­feld fließen, besteht die Gefahr, dass die leistungsstarke örtliche Wassergewinnung einer wasserreichen Region zurück­gefahren und weitere ergiebige Wasserwerke stillgelegt werden. Das widerspricht dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) § 50 Absatz 2, nach dem eine Wasserversorgung vorrangig aus ortsnahen Vorkommen zu erfolgen hat, und dem Ziel einer Landeswasserstrategie NRW.
     
  8. In welchem Umfang sich in unserer Region weitere Potenziale erschließen lassen, zeigt sich am Bau des neuen Wasserwerkes der Stadt Schloss Holte-Stukenbrock. Die bisher von den SWB nach Schloss Holte-Stukenbrock gelieferte Wassermengen von jährlich ca. 0,6 – 1,0 Mio. m³ wird nun frei für die Versorgung in Bielefeld. Im Wasserversorgungskonzept wird das zwar in einer Tabelle erwähnt, es bleibt aber bei der Prognose unberücksichtigt.
     
  9. Viele von den Stadtwerken zur Begründung insbesondere für eine erwartete sehr hohe Zunahme des Wasserbedarfs vorgelegte Zahlen sind nicht belegt, nicht überprüfbar oder widerspre­chen aktuellen Studien z.B. zur Grundwasserneubildung. Das gleiche gilt für die ermittelten Potentiale zur Steigerung der eigenen Wassergewinnung. Sollten die SWB an den Planungen festhalten wollen, regen wir an, zu den offenen Fragen und zweifelhaften Daten Gutachten von unabhängigen Sachverständigen einzuholen.
     
  10. Möglichkeiten, den Wasserverbrauch besonders in kritischen Zeiten zu senken bzw. Was­ser einzusparen bleiben in den Bedarfsprognosen der Vorlage und des Wasserversorgungs­konzeptes unberücksichtigt. Engpässe in kritischen Zeiten in den Sommermonaten treten oft nur wenige Tage bis Wochen auf. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen, dass solche Engpässe mit gezielten Sparmaß­nahmen gut bewältigt werden können.
     
  11. Natur- und Umweltschutzschutzverbände sind der Auffassung, dass die Wasserversor­gung - auch in Bielefeld - zu 100 % in öffentlicher Hand verbleiben und es Zugriffe darauf durch ein privates Unternehmen nicht geben sollte. Dazu im Widerspruch steht die von den SWB für den Bezug von Fernwasser geplante Gründung der „NewCo GmbH & Co KG“, in der die privatrechtliche Gelsenwasser AG 50 % der Kommanditanteile erhalten soll.

 

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