Wie ist die Situation des Stadtwaldes nach jetzt drei trockenen Sommern? Das war Thema von geführten Waldwanderungen des BUND im September und Oktober unter Leitung von Adalbert Niemeyer-Lüllwitz. Am 6. September und 18. Oktober folgten 40 Interessierte der Einladung. Um die Corona-Hygieneregel einhalten zu können, war die Teilnahmezahl begrenzt. Die Veranstaltungen waren ausgebucht. Wegen des großen Interesses gibt es jetzt am 25. Oktober eine weitere Gelegenheit, den durch Dürre und Klimawandel geschwächten Wald zu erkunden.
Die Touren hatten die Buchenwälder unterhalb von Jostberg und Hünenburg und die Fichtenforste am Sennberg zum Ziel. Viele vom Borkenkäfer befallene Fichten sind hier abgestorben, aber auch Buchen zeigen Schäden. Gezeigt wurde, wie verschiedenen Baumarten auf den Klimawandel und die Dürre reagieren. Die zentrale Frage: Hat der Wald, der für die Stadt eine große Bedeutung hat, eine Zukunft? Hier einige Beobachtungen und Erlebnisse auf den Wanderungen.
Buchensterben?
Im Buchenwald sind viele Bäume krank und einige absterbend. Allerdings nicht in allen Waldbereiche und an allen Standorten. Da, wo das Kronendach noch geschlossen ist, sind die Bäume meist gesund. Ausgeprägte Schäden zeigen sich an den exponierten Waldrändern, auf den flachgründigen Kalkstandorten am Blömkeberg (wo der Oberboden nur in geringem Umfang Wasser speichern kann) und besonders dort, wo die Altbuchen nach Durchforstung mit „Schirmschlag“ (Baumentnahme zu bis zu 80 %, Freistellung der verbliebene Altbuchen) besonders der Sonneneinstrahlung und Trockenheit ausgesetzt sind. Bei einzelnen, nicht mehr durch Nachbarbäume geschützte Buchen sind thermische Rindenschäden durch die Sonneneinstrahlung festzustellen. Die Rinde wird zerstört, der Baum stirbt. Es stirbt hier aber nicht „der Wald“, denn am Boden zeigt sich flächendeckend Naturverjüngung. Der neue Wald ist schon da!
Da die Buchenwälder in diesem Bereich als Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet geschützt sind, müssen aus Sicht des BUND hier forstliche Eingriffe möglichst vermieden werden. Ein flächiges Absterben der alten Buchen gefährdet die Naturschutzziele. Absterbende Bäume sollten möglichst als Totholz im Wald verbleiben, Holzeinschläge in den noch intakten Waldbereichen unterbleiben.
Eschensterben?
An vielen Stellen des Stadtwaldes, z.B. an der Promenade, sind Eschen abgestorben. Ein Pilz ist für dieses „Eschentriebsterben“ verantwortlich. Bei der Waldwanderung finden wir auffällig viele völlig gesunde Eschen und auch viel Eschen-Naturverjüngung. Besonders im Bereich Blömkeberg. Eine Hypothese wird inzwischen in der Fachwelt diskutiert: Gibt es bei den Eschen resistente Bäume?
Eichen und Bergahorn
Die in diesem Waldbereichen anzutreffenden Stieleichen und Bergahorn sind überwiegend gesund. Berghorn tritt besonders auffällig in der Naturverjüngung auf, insbesondere in den Buchenwaldbereichen. Hypothese: Sollte die Buchen langfristig mit dem Klima nicht mehr klarkommen, könnten evtl. Bergahorn und Eichen die Lücken füllen.
Fichtensterben!
Die unterhalb der Hünenburg und im Bereich Sennberg ausgeprägten Fichtenforste (Fichtenmonokulturen) sind schon überwiegend von Borkenkäfern zum Absterben gebracht worden. Stellenweise hat auch der Orkan Frederike im April 2018 dazu beigetragen. Teilweise sind Flächen auch schon geräumt. Da, wo Flächen schon bis 2019 geräumt wurden, zeigt sich am Boden Naturverjüngung von Birken, Vogelbeere, Faulbaum und vereinzelt auch schon Ahorn, Buche und Eiche. Auch hier kann nicht von „Waldsterben“ gesprochen werden. Ein flächiges Fichtensterben gibt es aber zweifellos, die älteren Fichte werden über kurz oder lang hier absterben. Auf den Kahlflächen sind aber vereinzelt auch schon wieder junge Fichten zu sehen, die nicht gepflanzt wurden. Hypothesen: Im sich dort entwickelnden Mischwald werden einzelne Fichten mit vertreten sein. Die Naturverjüngungspotenziale auch der Laubhölzer sind hier so ausgeprägt, dass Aufforstungen nur stellenweise notwendig sein werden.
Für die Walderneuerung wäre es gut, wenn abgestorbene Fichten im Wald verbleiben würden. Sie schützen den Baumnachwuchs und den Boden vor zu starker Austrocknung, sind zudem Lebensraum für Pilze und Käfer. Da ihr Holz keinen Gewinn mehr bringt und die Borkenkäfer die meisten Bäume längst verlassen haben, bringt ihre Entnahme keinen Nutzen. Weder für den Geldbeutel des Waldbesitzers, noch für den Waldschutz.
Fazit der Wanderungen
Trockenheit und Klimawandel führen zu Krankheitserscheinungen und vereinzelten Absterben von Buchen sowie zum flächigen Absterben der Fichten. Ein flächiges Waldsterben ist aber nicht feststellbar. Im Laubwald ist eine ausgeprägte flächige Naturverjüngung vorhanden mit Bäumen verschiedener Altersklassen. Auf den vor ein bis zwei Jahren geräumten Fichtenflächen wächst schon wieder ein Pionierwald. Die in diesem Jahr geräumten Flächen sind noch kahl. Ob hier Naturverjüngung für die Wiederbewaldung reicht, kann noch nicht beurteilt werden. Gegebenenfalls muss hier gepflanzt werden.
Wir brauchen für den Stadtwald kein flächiges „Wiederaufforstungsprogramm“. Wir müssen vielmehr für die Wiederbewaldung mehr Mut dafür entwickeln, auf die Naturpotenziale des Waldes zu setzen. Je nach Standort und Situation ist jetzt ein differenziertes Vorgehen gefragt, das den künftigen Zukunftswald zum Ziel hat. Das kann nur ein stabiler Laubmischwald aus standortheimischen Baumarten sein, die teilweise schon hier neu wachsen, teilweise aber auch nachgepflanzt werden können. Eine Möglichkeit haben die Teilnehmenden während der Wanderung in die Tat umgesetzt: Sie haben auf einer Kahlfläche mit Eicheln und Ahornsamen die Wiederbewaldung unterstützt.
Bildstrecke: Bilder von den BUND-Waldwanderungen am 6. September und 18. Oktober 2020. Wald im Dürre- und Klimastress.