Das Johannisbachtal zwischen Viadukt und Brake gehört zu den wertvollsten Bielefelder Naturschutzflächen. Am naturnahen Bach brüten seltene Vögel und grasen Heckrinder. Die Planung eines Freizeitsees ist vom Tisch, die Ausweisung als Naturschutzgebiet geplant. Zeitgleich laufende Verkehrsplanungen im Tal gefährden aus Sicht des BUND diese Naturschutzziele. Anliegen einer dreieinhalbstündigen Wanderung durch das Johannisbachtal war es am Sonntag deshalb, diese Planungen vorzustellen und in Hinblick auf die geplanten Eingriffe "erlebbar" zu machen. Teilweise folgte die Rundwanderung der Herforder Straße, wo ein Aus- bzw. Neubau der B 61 geplant ist. Etwa 40 Teilnehmende folgten der Einladung der BUND-Kreisgrippe Bielefeld.
Unmittelbar an der Herforder Straße betreut der BUND ökologisch wertvolle Streuobstwiesen. Hier öffnet sich der Blick über Wiesenflächen runter zum Johannisbach. Bei einem Stopp in der BUND-Obstwiese stellten Jürgen Birtsch und Adalbert Niemeyer-Lüllwitz von BUND-Vorstand die aktuellen Planungen für den Neubau der Herforder Straße vor. Im Abschnitt zwischen zwischen Rabenhof und Grafenheider Straße ist auf einer Länge von ca. 2 km neben der jetzigen Trasse, die als Anliegerstraße erhalten bleiben soll, eine neue, autobahnähnliche vierspurige Straße vorgesehen. Da die Häuser dann nicht mehr erreichbar sind, muss zusätzlich westlich noch eine neue Erschließungsstraße gebaut werden. Durch diese neuen Straßen wären hier auch die schützenswerten Streuobstwiesen betroffen. Diese Planungen greifen in den schützenswerten Landschaftsraum des Johannisbaches ein und wäre auch mit einem enormen Flächenverbrauch verbunden.
Auf der weiteren Wanderung ging es dann ab der Feuerwache ins Johannisbachtal. Bei einem Blick in Richtung Bahnviadukt überrascht der BUND die Teilnehmenden mit einer möglichen Bahnzukunft an dieser Stelle. Denn das gesamte Johannisbachtal gehört hier zu dem von der Bahn identifizierten „Grobkorridor“ für die geplante neue ICE-Trasse von Bielefeld nach Hannover. Dass auch das Bielefelder Stadtgebiet davon betroffen sein kann, sei viel zu wenig bekannt. Für die kürzeste Verbindung nach Hannover könnte die neue Trasse schon vor dem Viadukt abzweigen und dann im weiteren Verlauf entlang der A 2 in Richtung Vlotho verlaufen. „Wir unterstützen als Umweltverband den Bahnausbau, lehnen aber eine neue landschaftsfressende Betontrasse ab, die hier nach diesen Plänen sogar durch das schützenswerte Johannisbachtal führen könnte“, so Jürgen Birtsch.
Über den Jerrendorfer Weg wanderte die Gruppe im Johannisbachtal bis zur Gravenheider Straße. Unterwegs wurde auf Besonderheiten dieser Talaue aufmerksam gemacht. Ökologisch besonders wertvoll sind die naturnahen Bachabschnitte mit Grünland, auf dem Heckrinder praktische Naturschutzarbeit leisten. Über 150 Pflanzenarten und ca. 50 Brutvögel wurden hier schon nachgewiesen, darunter einige seltene und gefährdete Arten wie Rebhuhn und Kiebitz. Weißstörche nutzen die Wiesen und Ackerflächen als Nahrungsraum und brüten am Bach. Einige Bachabschnitte im nördlichen Teil wurden vor 100 Jahren schon naturfern begradigt. Hier plant die Stadt eine naturnahe Umgestaltung mit einer Wiederherstellung einer natürlichen Aue.
An der Gravenheider Straße begegneten die Wanderer dem naturnahen Kerksiekbach, einem Zufluss des Johannisbaches. Der Bach wäre vom hier geplanten Neubau der Gravenheider Straße betroffen „Von diesem Bach würde nicht viel bleiben, wenn hier die uns bekannten Straßenplanungen umgesetzt werden. Damit würde hier ein Teil der Johannisbachaue und damit ein Teil des geplanten Naturschutzgebietes zerstört“, erläuterte dazu Adalbert Niemeyer-Lüllwitz. Kurze Zeit später erreicht die Wandergruppe wieder die Herforder Straße. Hier soll die geplante L 712 n mit einem neuen, großen Kreuzungsbauwerk angebunden werden. Die Gruppe geht in die Johannisbachaue und steht dann mitten auf der geplanten neuen Kreuzung. So wird der mögliche Eingriff für alle Teilnehmenden erlebbar. Die naturnahe Aue würde hier durch eine Straße ersetzt, der Bach müsste nach Süden verlegt und neu gebaut werden.
Für die L 712n besteht Baurecht, aber aus Sicht des BUND noch keine Baupflicht. Seit den 1990er Jahren hat der BUND mehrmals ablehnend zu dieser Planung Stellung genommen. Jetzt werden damit weitere Straßenplanungen im Johannisbachtal begründet. Der BUND fordert deshalb eine Überprüfung aller Planungen, ein Moratorium und ein Gesamtverkehrskonzept für diesen Raum, das auch den Bus- und Bahnverkehr sowie den Radverkehr berücksichtigt. „In keinem Plan ist hier z.B. bisher der vom Land entlang der B 61 geplante Radschnellweg berücksichtigt. Wenn in der Stadt Mobilitätswende, Klimaschutz und Naturschutzziele ernst genommen werden, müssen deshalb diese Straßenplanungen auf den Prüfstand“, so Jürgen Birtsch zum Abschluss des Spazierganges.
BUND-Spaziergang Johannisbachtal - Karten und Bilder (PDF)
Bericht im Westfalenblatt vom 25.4.2022
Heckrinder-Projekt-Bericht-Naturwiss-Verein (PDF)
Bildstrecke: BUND-Spaziergang im Johannisbachtal - Verkehrsplanungen gefährden Naturschutzziele