Detmold, 12.12.2022 | Anlässlich der Regionalratssitzung am 12. Dezember in Detmold protestieren die OWL-Naturschutzverbände gegen den vorliegenden Regionalplanentwurf. Der neue Regionalplan setzt den Rahmen für die Zukunftsentwicklung von OWL in den nächsten 20 Jahren. Mit der potenziellen Neuausweisung von rund 12.000 ha neuer Siedlungs- und Gewerbeflächen, also einer Fläche von ca. 17.000 Fußballfeldern, forciere der Regionalplan den Flächenverbrauch. Das ist weder umwelt- und klimaverträglich noch nachhaltig, so die Verbände in einer Stellungnahme. Es widerspreche auch den Nachhaltigkeitsstrategien von Bund und Land, nach denen der Flächenverbrauch dringend eingedämmt werden müsse.
Dazu der Sprecher des NABU OWL Bernd Milde: „Die Regionalplanungsbehörde hat fast alle dazu in fachlich fundierten Stellungnahmen vorgebrachten Bedenken und Anregungen der Naturschutzverbände abgelehnt. Eine zukunftsfähige Vorsorgeplanung für wirksamen Klimaschutz und den Schutz der bedrohten Natur ist nicht erkennbar“. Mit dem vom Regionalrat beschlossenen „Entscheidungskompass“ würden, so Milde, die Mitwirkungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern leider grob missachtet. Eine Erörterung über die Entscheidungen der Planungsbehörde zu den abgelehnten Anregungen der Verbände werde danach nicht zugelassen. „Wir fordern den Regionalrat deshalb auf, zu dem langjährig üblichen, dialogorientierten Beteiligungsverfahren zurückzukehren“.
Adalbert Niemeyer-Lüllwitz vom BUND-Landesvorstand ergänzt dazu: „Im Regionalrat und der Regionalplanungsbehörde scheinen die bedrohliche Klimakrise und das dramatische Artensterben offenbar überhaupt noch nicht angekommen zu sein. Die vom neuen Klimaschutzgesetz geforderte Prüfung der Klimaverträglichkeit aller Planungen wird ignoriert. Wenn weiter ungebremst Naturflächen nicht geschützt, sondern für klimaschädliche Bauprojekte versiegelt werden, lassen sich die Klimaziele und der Erhalt der biologischen Vielfalt in OWL nicht erreichen“.
Die Naturschutzverbände verweisen dabei ganz besonders auf das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Klimaschutz mit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen für verfassungsrechtlich verbindlich erklärt worden ist. Diese Lebensgrundlagen müssten, so das Gericht, der Nachwelt in einem Zustand hinterlassen werden, dass auch nachfolgende Generationen gut leben könnten.
Dazu stellt für die Landesgemeinschaft Natur und Umwelt NRW (LNU) Thomas Keitel fest: „Das Bundesverfassungsgericht hat die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens mit seinem Urteil letztlich als verfassungsrechtlich verbindlich anerkannt. Die grundrechtliche Freiheit und das Staatsziel Umweltschutz verpflichten danach Politik und Verwaltung, mit einer vorausschauenden Planung für die Einhaltung dieser Klimaziele Sorge zu tragen. Eine solche vorsorgende Planung können die Verbände im vorgelegten Regionalplanentwurf allerdings nicht erkennen“. Keitels Fazit lautet deshalb: „Dieser Regionalplanentwurf gehört angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise ganz grundsätzlich auf den Prüfstand. Es müssen in einen zukunftsfähigen Regionalplan verbindliche Zukunftsziele und Festlegungen zum Klimaschutz, zu flächensparendem Bauen und zum Biodiversitätsschutz aufgenommen werden. Nur so wird er auch seiner Funktion als Landschaftsrahmenplan gerecht“.
Die geltenden gesetzlichen Änderungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien erfordern dabei schon jetzt aus Sicht der Naturschutzverbände eine erneute Fortschreibung des Regionalplans. Die notwendige Ausweisung von Vorranggebieten für Windparks müsse daher in das laufende Verfahren einbezogen werden, um eine sachgerechte Abwägung mit allen Belangen zu ermöglichen. Andernfalls müsste das gleiche Beteiligungsverfahren zeitnah wiederholt werden. Neben der doppelten Arbeit für alle Beteiligten drohe dann eine Kollision mit den gerade beschlossenen Festsetzungen.
Die Naturschutzverbände fordern deshalb den Regionalrat und die Bezirksregierung auf, sowohl die Klimaverträglichkeit als auch die Biodiversitätsziele des Plans mit einem Neustart auf den Prüfstand zu stellen. Dazu erklärt Bernd Milde „Wenn Regionalrat und Bezirksregierung an einem Konsens interessiert sind, muss der Regionalplanentwurf grundlegend überarbeitet werden. Der Regionalplan muss die Zukunftsfähigkeit von OWL zum Ziel haben. Die richtige Antwort auf den Klimanotstand wäre es, mit einem Klimapakt OWL die notwendige Klimaneutralität bis spätestens 2045 zu erreichen“. Darauf müssten alle Planungsbereiche des Regionalplans, angefangen von einer flächensparenden Siedlungsentwicklung, der Klimaeffizienz beim Bauen, einer klimaneutralen Energieversorgung, der nachhaltigen Mobilitätsplanung bis zum Schutz von Wäldern und Mooren als Kohlenstoffspeicher ausgerichtet werden.
Aufgrund der Widersprüche zum Klimaschutzgesetz, zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und zum Landesplanungsgesetz, das bei einem solchen Plan einen Meinungsausgleich fordert, äußern die Verbände auch rechtliche Zweifel sowohl am Planentwurf als auch am Beteiligungsverfahren. Sollte der Regionalplanentwurf wie vorliegend beschlossen werden, kündigen die Verbände eine juristische Überprüfung an.
Reaktionen im Regionalrat
Auf die Stellungnahmen der Naturschutzverbände haben die Fraktionen von SPD, CDU und FPD im Regionalrat mit einer Erklärung reagiert:
Presseerklärung der Fraktionen von SPD, CDU und FDP.
Dazu stellen die Naturschutzverbände fest:
Ergänzend und als Reaktion auf die Pressemitteilung und Erklärung der Fraktionen von SPD, FDP und CDU weisen wir den Vorwurf, wir hätten das Verfahren "in die Nähe russisch-chinesicher Verhältnisse gerückt", zurück. Eine solche Äußerung kann keiner Stellungnahme der drei unterzeichnenden Verbände entnommen werden. Der demokratisch legitimierte Regionalrat hat als Gremien aber leider in diesem Fall bisher nicht im Sinne von Klimaschutz, Naturschutz und Umweltschutz entschieden. Diese Belange spielen bisher leider nur eine untergeordnete Rolle, entgegen der Behauptung in der Pressemitteilung.
Auch den Vorwurf, wir würden uns nicht konstruktiv in den Prozess einbringen, weisen wir entschieden zurück. Auf mehreren hundert Seiten haben die Naturschutzverbände im Beteiligungsverfahren konstruktiv und fachlich fundiert Bedenken und Anregungen eingebracht. Dabei wurden viele tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit in das Verfahren eingebracht. Indem sie jetzt über 85 % dieser Anregungen mit immer der gleichen pauschalen Begründung zurück weist, lässt die Bezirksplanungsbehörde jeglichen konstruktiven Umgang mit diesen Anregungen vermissen. Und wenn dann noch ein detailliierter Dialog über diese Anregungen in Anhörungen verweigert wird, kann von einem sachbezogenen, "echten" Beteiligungsverfahren nicht mehr gesprochen werden. Wir bitten deshalb den Regionalrat, zu einem konstruktiven Beteiligungsverfahren zurückzukehren. Weitere Hinweise und Positionen der Verbände können der beigefügten Pressemitteilung entnommen werden.
Pressemitteilung der Naturschutzverbände
Stellungnahme zur Regionalratssitzung - Kontruktive Einmischung
Pressebericht Neue Westfälische 13.12.2022 - 01
Pressebericht Neue Westfälische 13.12.2022 - 02
Kommentar Mathias Bungeroth, Neue Westfälische 13.12.2022
Rede von Ullrich Richter, Vertreter der Naturschutzverbände im Regionalrat (PDF)