Kreisgruppe Bielefeld
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Naturschutzbeirat lehnt massive Bebauung im Süden ab

12. Februar 2025 | BUND, Lebensräume, Landwirtschaft, Naturschutz

Neue Baugebiete in Windflöte und großes Gewerbegebiet geplant – Über 120 ha freie Landschaft und ein regionaler Grünzug betroffen

Kulturlandschaft in Oerkamp. Regionaler Grünzug oder Gewerbegebiet? Foto: BUND

Die Naturschutzverbände lehnen die von der Stadt verfolgte massive Bebauung im Bereich wichtiger regionaler Grünzüge im Bielefelder Süden ab. Der Naturschutzbeirat fasste dazu in seiner Sitzung am 4.2.2025 einen einstimmen Beschluss.

Worum geht es?

Nach dem neuen, 2024 beschlossenen Regionalplan sind im Süden der Stadt zwischen Windflöte und der A 2 große neue Baugebiete vorgesehen. Die Planungen wurden schon 2024 auf öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt und mir betroffenen Bürger*innen diskutiert. Ein Planungsbüro legte dazu erste Skizzen für ein „Struktur- und Nutzungskonzept“ vor. Diese sieht eine bauliche Expansion von Windflöte mit neuen Wohngebieten nach Osten bis zum Naturschutzgebiet Kampeters Kolk vor. Zwischen diesem NSG und der A 2 soll ein großes Gewerbe- und Industriegebiet von bis 80 ha Fläche entstehen. Insgesamt könnte mit der Bebauung eine Freifläche von über 120 ha verloren gehen, was etwa 170 Fußballfeldern entspricht. 

Regionaler Grünzug betroffen

Aktuell wird der Bereich überwiegend durch eine strukturreiche bäuerliche Kulturlandschaft geprägt – mit einem Wechsel zwischen Grünland, Ackerflächen, Feldgehölzen, kleinen Höfen,  Baumbeständen und Wald mit einzelnen schutzwürdigen Biotopen.

Im alten Regionalplan war hier ein „Regionaler Grünzug“ festgesetzt. Aus gutem Grund: Der Grünzug bildet einen durchgehenden Biotopverbund-Korridor vom Teutoburger Wald entlang der A 2 bis in die Ems-Niederungslandschaft des Kreises Gütersloh. Für den Schutz bedeutender Naturschutzgebiete wie dem NSG Rieselfelder im Norden, dem NSG Kampeters Kolk und dem NSG Hasselbachaue im Süden ist dieser Grünzug von großer Bedeutung. Die geplante Bebauung würde diese Biotopverbundachse unterbrechen und damit zerstören. Für die benachbarten Siedlungsgebiete, besonders die Windflöte, ist es auch ein besonders wertvoller Erholungsraum.

„Regionale Grünzüge“ sind laut Regionalplan Ziel 7 besonders in verdichteten Räumen als Vorranggebiete für Erholung, Sport und Freizeit, lufthygienische und klimatische Ausgleichswirkungen und die Vernetzung von Biotopen zu sichern und zu entwickeln. Sie sollen auch einem Zusammenwachsen von Siedlungen entgegenwirken. „Entsprechend dieser Zielsetzung soll die Festlegung als Regionaler Grünzug eine Inanspruchnahme durch Siedlungsentwicklung – abgesehen von eng definierten Ausnahmen – ausschließen“, heißt es dazu im Regionalplan.

In diesem Fall würde mit der Ausweisung eines GIB dieser Größenordnung und der Zurücknahme eines Regionalen Grünzugs genau das passieren, was mit der Ausweisung eines Regionalen Grünzugs verhindert werden soll: Die Siedlungsbereiche in Windflöte im Westen und Eckardsheim in Osten würden zusammenwachsen, die Vernetzung von bedeutenden, als NSG gesicherten Biotopen würde unterbrochen.

Landschutzschutzgebiet und Biotopverbundflächen

Nach dem Zielkonzept Naturschutz der Stadt Bielefeld ist der Bereich als „Landschaftsraum mit hoher Naturschutzfunktion (dunkelgrün)“ bewertet, Teilflächen sind als „Naturschutz-Vorranggebiet (rot) dargestellt. Aktueller Schutzstatus ist Landschaftsschutzgebiet.

Benachbarte Naturschutzgebiete wären auch unmittelbar betroffen. Im Westen liegt direkt am Rand des geplanten Gewerbegebietes das NSG Kampeters Kolk. Es handelt sich um einen nährstoffarmen Heideweiher mit angrenzenden Feuchtwiesen, Seggenriedern, Röhrichten, Weiden-Faulbaumgebüschen und deren seltenen Tier- und Pflanzenarten. Im Norden liegt das NSG Rieselfelder, im Süden das NSG Hasselbach. Betroffen wären besonders wandernde Amphibienarten wie die vom Aussterben bedrohte Knoblauchkröte, für die an dieser Stelle eigens eine Grünbrücke über die A 33 gebaut wurde. Die Kulturlandschaft ist einer der letzten Lebensräume für den Steinkauz in Bielefeld. Mit neuen Baugebieten in unmittelbarerer Nähe wird der Umgebungsschutz der NSG zerstört.

Die herausragende Bedeutung für das Biotopverbundsystem der Region belegt der LANUV- Fachbeitrag des Naturschutzes und der Landschaftspflege zum Regionalplan. Die Flächen sind danach z.T. mit Stufe 1 (herausragende Bedeutung), z.T. mit Stufe 2 (besondere Bedeutung) bewertet. 

Landwirtschaft besonders betroffen

Besonders betroffen ist die Landwirtschaft: „34% des Plangebietes führen zur Flächeninanspruchnahme von schutzwürdigen klimarelevanten Böden mit höchster Funktionserfüllung“, heißt es im Umweltbericht zum Regionalplan. Insgesamt würden der Landwirtschaft über 100 ha Acker- und Weideland verloren gehen.

Auch nach dem Klimaanpassungskonzept der Stadt ist eine flächige Bebauung dieses Grünzuges kritisch: Das Gebiet zeichnet sich durch hohe bis sehr hohe Kaltluft-Produktionsrate und einen hohen Kaltluft-Volumenstrom aus. Das Plangebiet liegt im Kernbereich von Kaltluftbahnen überörtlicher Bedeutung. Ferner liegt es im Randbereich von Siedlungen mit starker bzw. extremer Hitzebelastung am Tage sowie innerhalb von thermischen Ausgleichsräumen überörtlicher Bedeutung.

Aus diesen Gründen hat sich der BUND schon im Regionalplan-Beteiligungsverfahren für einen Erhalt dieses Grünzuges und der Streichung des neuen Gewerbegebiets eingesetzt. Bezirksregierung und Regionalart folgten diesen Bedenken leider nicht.

Beschluss des Naturschutzbeirates in seiner Sitzung am 4.2.2025

In der Sitzung des Naturschutzbeirates am 4.2.2025 haben Baudezernentin Claudia Koch und Bauamtsleiter Lars Bielefeld die Planung vorgestellt und dafür geworben. Die mit einem Vortrag der Beiratsvorsitzenden Claudia Quirini-Jürgens vorgetragenen Bedenken des Naturschutzes konnten dabei nicht ausgeräumt werden. Einstimmig ohne Enthaltung fasste der Beirat folgenden Beschluss: „Der Naturschutzbeirat für Bielefeld lehnt das geplante Struktur- und Nutzungskonzept Windflöte in der bisherigen Planung im Wesentlichen ab, insbesondere im Bereich des Regionalen Grünzuges“.

Die Gründe wurden wie folgt zusammengefasst:  

  • Massiver Eingriff in Natur- und Landschaft – enorme Flächeninanspruchnahme = keine nachhaltige, flächensparende Planung, keine kompakte Bauweise
     
  • Zerstörung eines Regionalen Grünzuges und damit einhergehend wichtigen Biotopverbundes zwischen Teutoburger Wald, überregional bedeutsamen Naturschutzgebieten (Rieselfelder Windel, Kampeters Kolk) und dem Westfälischen Tiefland (Hasselbachaue) und damit Unterbrechung des Anschlusses an Schutzgebiete im Kreis Gütersloh
     
  • Widerspricht dem Klimaanpassungskonzept, in Bielefeld beschlossen über alle Parteigrenzen hinweg
  • Läuft Artenschutzmaßnahmen des Landes NRW zuwider, die mit hohem finanziellem Aufwand seitens der öffentlichen Hand (EU, NRW) sowie durch die Stiftung Rieselfelder Windel gefördert wurden (Knoblauchkröte: Grünbrücke, Sanierung Kampeters Kolk, Anlage von Blänken, etc.), Rieselfelder Windel und Kampeters Kolk sind einzig bekanntes Gebiet dieser Amphibienart in OWL
     
  • Zerstört wichtige Biotope planungsrelevanter Vogelarten, die in Bielefeld Seltenheitswert haben: Steinkauz, Baumpieper und Baumfalke, zudem Nachweise von Heidelerche (VS-Richtlinie Anh. I, sehr seltener Brutvogel in BI)
     
  • Zerstört ein wichtiges Naherholungsgebiet
     
  • Vernichtet landwirtschaftliche Flächen in hohem Ausmaß (laut LANUV-Fachbeitrag: schutzwürdige, klimarelevante Böden)

Stellungnahme des BUND Bielefeld im Regionalplan-Verfahren

Struktur- und Nutzungskonzept Windflöte - Vortrag Bauamt der Stadt im Naturschutzbeirat (PDF)

Vortrag Claudia Quirin-Jürgens – Vorsitzende des Naturschutzbeirates  (PFD)

BUND-Präsentation Bebaujg-Windflöte-Oerkamp (PDF)

BUND-Stellungnahme zum Regionalplan (PDF)

Bildstrecke: Bilder und Karten zu geplanten Siedlungs- und Gewerbegebieten in Windflöte / Oerkamp

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