Kreisgruppe Bielefeld

Aufhebung der Baugenehmigung für Reitsportanlage beantragt

03. November 2021 | BUND, Landwirtschaft, Lebensräume, Naturschutz

BUND reicht Klagebegründung nach Akteneinsicht beim Verwaltungsgericht Minden ein und beantragt Baustopp

Blick auf einen Teil der Baustelle für die geplante Reitsportanlage Mitte September 2021. Erkennbar der massive Eingriff in die Landschaft mit großflächiger Versiegelung. Trotz vorliegender Klage des BUND wurde danach mit Hochdruck der Bau von Gebäuden begonnen. Foto: BUND

Bielefeld | Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat beim Verwaltungsgericht Minden zu seiner Klage gegen die Baugenehmigung für die „SL Riding Ranch“ jetzt eine detaillierte Klagebegründung nachgereicht. Der BUND wird dabei von der auf Umweltrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Deppner aus Berlin vertreten. Gestützt auf eine Auswertung der Genehmigungsunterlagen beantragen die Anwälte die Aufhebung der Baugenehmigung. Im Schriftsatz wird ausführlich dargelegt, dass die Baugenehmigung gegen Baugesetz und Naturschutzgesetz verstoße. Um weiteren möglichen Schaden zu vermeiden, beantragen sie zugleich in einem Eilantrag, die Bauarbeiten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu stoppen.

Einsicht in die Genehmigungsunterlagen erhielt der BUND erst nach Einreichung der Klage. Der Wunsch nach Einsichtnahme wurde zuvor von Seiten der Stadt verwehrt. Nach intensiver Prüfung dieser Unterlagen steht aus Sicht des BUND jetzt fest, dass der Bau dieser Anlage im Landschaftsschutzgebiet rechtswidrig ist. Insbesondere würden die Voraussetzungen für eine nach dem Baurecht für solche Anlagen notwendige „Privilegierung“ als landwirtschaftlicher Betrieb nicht erfüllt.

So fordere das Baurecht für eine solche Anerkennung den Nachweis, dass der Betrieb das benötigte Tierfutter überwiegend auf eigenen Flächen anbauen kann. Für die eingestellten 40 Pferde würden nach geltender Rechtslage mindestens 12,69 ha Futterfläche benötigt. Da am Hof selbst dafür keine Flächen zur Verfügung stehen, habe die Eigentümerin dafür Flächen im Umfang von 11,82 ha im Kreis Herford angepachtet. Ein Teil dieser Fläche sei aber bebaut, mit Wald bewachsen oder als Gewerbefläche ausgewiesen. Übrig blieben nur 7,75 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, die für die Futtergewinnung dauerhaft zu nutzen wären. Zudem lägen diese Flächen 25 km entfernt vom Hof auf der anderen Seite der Stadt Bielefeld. Dass diese Flächen vom Hof aus bewirtschaftet werden sei nicht zu erwarten. Insgesamt könne hier nicht von einem einheitlichen Gesamtbetrieb gesprochen werden.

Einer Anerkennung als landwirtschaftlicher Betrieb stehe zudem entgegen, dass der Betrieb wirtschaftlich nicht tragfähig sei und keine eigenständige Zukunftsperspektive habe. Das würde konkret mit Zahlen anhand der vorliegenden Betriebsplanung und des Sachverständigengutachtens in der Klagebegründung nachgewiesen. Der Gutachter habe zwar in seiner Zusammenfassung eine wirtschaftliche Perspektive gesehen, da ein Jahresgewinn von 3.881,- Euro erzielbar sei. Dabei habe er aber einige wesentliche Kosten - wie z.B. die kompletten Personalkosten - überhaupt nicht berücksichtigt. Insgesamt sei danach klar, dass der Betrieb dauerhaft von Finanzmitteln der Eigentümerfamilie abhängig sein werde.

„Es ist für uns offensichtlich, dass hier ein eigenständiger landwirtschaftlicher Betrieb vorgetäuscht wird, um eine Pferdesportanlage im Außenbereich und Landschaftsschutzgebiet zu realisieren, die hier nicht genehmigungsfähig ist“, fasst BUND-Sprecher Adalbert Niemeyer-Lüllwitz das Ergebnis der Aktenprüfung zusammen. Dass die Stadt Bielefeld trotz dieser Fakten den Bau genehmigt habe, sei absolut nicht nachvollziehbar.

Dass es hier um reitsportliche Zwecke und nicht um Landwirtschaft gehe, würde auch durch die beantragte „Bewegungshalle mit Stehtribüne“ belegt. Privilegiert sei für Pferdepensionsbetriebe nach dem Baurecht nur eine Bewegungshalle, die in angemessenem Verhältnis zu den eingestellten Pferden stehe. In diesem Fall überschreite die beantragte, 1600 qm große Halle dieses Maß bei Weitem, das habe auch die Landwirtschaftskammer in ihrer Stellungnahme festgestellt: „Die nach bisheriger Rechtsprechung i.d.R. für bis zu 40 Pferde ausreichende Größe einer Bewegungshalle mit einem Hufschlagmaß von 20 m x 40 m wird in der Planung deutlich überschritten“, das sei „baurechtlich nicht unproblematisch“, so die Landwirtschaftskammer.

Im Bauantrag würde die Größe dieser Halle auch ausdrücklich damit begründet, dass Westernreiten und Springreiten, also Reitsportaktivitäten, ermöglicht werden sollen. Und die Planung einer Stehtribüne belege, dass hier Reitsportveranstaltungen geplant sind. Auch der ausgesprochen große Außenbewegungsbereich passe dazu. Er sei laut Betriebskonzept notwendig „um dem angesprochenen Klientel die Trainingsanlagen zu bieten, die im Reitsport erforderlich sind“. „Es geht also bei dieser Anlage um das Training von Pferden, es geht im Kern um Reitsport, mit Landwirtschaft hat das nichts zu tun“, so Adalbert Niemeyer-Lüllwitz.

Unabhängig von der Frage einer Privilegierung ist die Anlage aus Sicht des BUND nicht genehmigungsfähig, weil das öffentliche Interesse am Schutz der dort noch vorhandenen naturnahen Kulturlandschaft überwiege. Der massive Eingriff mit Flächenversiegelung auf ca. 15.000 qm stehe in deutlichem Widerspruch zu den rechtsgültigen Schutzzielen des dort ausgewiesenen Landschaftsschutzgebietes. Das führe zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Bodenschutzes und des Naturhaushaltes. Der hier rechtsgültige Landschaftsplan Bielefeld-West sieht für das Landschaftsschutzgebiet Ost-Münsterland ausdrücklich ein Verbot des Baus solcher Anlagen vor. Ausnahmen von solchen Verboten sind nur für eindeutig privilegierte landwirtschaftliche Betriebe möglich. Da dieser Nachweis hier nicht erbracht wird, sei auch der dazu von der Unteren Naturschutzbehörde erlassene Ausnahmebescheid rechtswidrig und müsse aufgehoben werden.

„In der Stadt Bielefeld wächst der Druck auf die verbliebenen Freiräume, insbesondere durch neue Gewerbe- und Wohnbaugebiete. Noch naturnahe, landwirtschaftlich geprägte Landschaften, wie sie in Holtkamp noch vorhanden sind, sind selten und schützenswert“, so Jürgen Birtsch vom BUND. Gerade hier stehe das öffentliche Interesse am Erhalt von Natur und Landschaft im Vordergrund. Der BUND stellt ausdrücklich Pferdesport, so Birtsch, nicht in Frage. „Aber solche Anlagen müssen dort gebaut werden, wo sie baurechtlich hingehören. Schützenswerte Bereiche von Natur und Landschaft dürfen gerade in einer Großstadt wie Bielefeld dafür nicht geopfert werden“.

BUND-Pressemittielung zur Klagebegründung vom 3.11.2021

Fakten zum Bauantrag einer SL Riding Ranch in Bielefeld-Holtkamp (PDF)

Bildstrecke: Bau von Reithallen im Landschaftsschutzgebiet (Bielefeld-Holtkamp)

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