Anwohner und Naturschützer sind entsetzt: Schwere Baumaschinen haben in Holtkamp nahe dem Ortseingang von Isselhorst an einem Hof über 3 Hektar naturnahes Wiesengelände abgeschoben und anschließend mit Schotter versiegelt. Baustelleneinrichtung, Materiallager und Maschinenpark deuten darauf hin, dass hier große Gebäude errichtet werden. Das Baustellenschild gibt Auskunft über das Vorhaben: Der Eigentümer, ein großes Gütersloher Bauunternehmen, baut hier eine „Bergehalle“, eine „Logierhalle“ und eine „Bewegungshalle“ sowie einen Pferdestall für eine „Pensionspferdehaltung“. Das Bauamt der Stadt Bielefeld hat die Baumaßnahme laut Baustellenschild genehmigt, vermutlich unter Berufung auf die „Privilegierung landwirtschaftlicher Bauten“ laut Baugesetzbuch. Der BUND hat Zweifel, ob hier die Voraussetzungen einer Privilegierung erfüllt wurden. Denn hier geht es nicht um übliche landwirtschaftliche Nutzungen. Der Eigentümer baut hier Reithallen für Freizeitzwecke und seine private Nutzung, und nicht im Sinne landwirtschaftlicher Nutzungen und Tierhaltung.
Aber selbst wenn hier die Gründe für eine Ausnahme aufgrund des Baugesetzbuches zutreffen sollten, stehen aus Sicht des BUND der Baumaßnahme die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes entgegen. Der massive Eingriff mit Zerstörung ökologisch wertvoller Grünlandbiotope und Flächenversiegelung auf über 3 Hektar steht in deutlichem Widerspruch zu den rechtsgültigen Schutzzielen des dort ausgewiesenen Landschaftsschutzgebietes.
Das hat aktuell das Verwaltungsgericht Düsseldorf auch in einem Urteil bestätigt und damit eine Klage, die den Bau einer vergleichbaren Reithalle erzwingen sollte, abgewiesen (VG Düsseldorf Urteil vom 28.01.2010, 4K 5870/08). Darin hat das Gericht festgestellt: „Selbst wenn das Vorhaben noch von der Privilegierung nach § 35 I BauGB erfasst wäre, stehen einem Vorhaben dieser Größenordnung im Einzelfall öffentliche Belange im Sinne des § 35 III BauGB entgegen“. Und diese Belange können aus den textlich festgesetzten Zielen des Landschaftsplans und den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege resultieren. Konkret hat das Gericht dabei „die im genannten Bereich durch das Vorhaben vorgesehene großflächige Versiegelung und Bebauung durch den massiven Haupthallenbaukörper“ genannt. Dieser Bau „widerspreche der als Entwicklungsziel festgehaltenen Erhaltung als vielfältig gegliederten Landschaftsraum“. Dies sei in diesem Fall besonders relevant, „da im Großstadtgebiet der Beklagten die schutzwürdigen Freiflächen selbst im Rahmen eines zusammenhängenden vielfältig gegliederten Landschaftsraum absolut gesehen nur kleine Flächen seien und einen geringen Anteil des Stadtgebietes ausmachten“.
Mit diesem Fall aus Düsseldorf ist die Baumaßnahme in Holtkamp alleine aufgrund der Dimension absolut vergleichbar. Der BUND hat deshalb eine Anfrage an das Bauamt und das Umweltamt der Stadt gerichtet und darin um Aufklärung gebeten, wie es zu dieser Genehmigung kommen konnte.
Der BUND sieht zudem auch einen Widerspruch zum sogenannten „Außenbereichserlass“ des Landes NRW, der detaillierte Vorschriften für die Genehmigung von Reitsportanlagen im Außenbereich enthält. Danach können Reithallen im Rahmen landwirtschaftlicher Pensionspferdehaltung zulässig sein, wenn sie „dazu dienen, den eingestallten Tieren im Interesse artgerechter Tierhaltung auch in der kalten Jahreszeit oder bei nassen Witterungsbedingungen die notwendige Bewegung zu vermitteln“. Weiter heißt es im Erlass: „Solche Bewegungsflächen können nur in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der eingestallten Pferde genehmigt werden. Um Pferden artgerecht Bewegung zu ermöglichen, ist eine Fläche im Hufschlagmaß von 20 m x 40 m grundsätzlich erforderlich und ausreichend. Diese Fläche gestattet, ca. zehn Pferde gleichzeitig zu bewegen. Da die Bewegung der Tiere nacheinander über einen längeren Zeitraum im Tagesverlauf abgewickelt werden kann, ist eine solche Fläche bei einem Betrieb mit bis zu ca. vierzig eingestallten Pferden in der Regel ausreichend.“ Konkret würde demnach eine ca. 800 qm große Reithalle genügen, um dem Bewegungsbedarf von 40 untergebrachten Pferden zu genügen. Genehmigt wurden aber drei Hallen, die auf der über 30.000 qm großen Baustelle sicher ein Vielfaches an Fläche umfassen werden. Nehmen wir an, die drei genehmigten Hallen beanspruchen nur 1/3 dieser Flächen, also 10.000 qm, müsste der Antragsteller also die Unterbringung von 500 Pferden nachgewiesen haben, was ausgesprochen zweifelhaft ist. Sind es aber deutlich weniger, hätte dieser Bauantrag nicht genehmigt werden dürfen.
Anfrage des BUND nach Umweltinformationsgesetz an die Stadt Bielefeld (PDF)
Bilddokumentation zum Bauvorhaben, Bilder 8.9.2021
Bilddokumentation zum Bauvorhaben, Bilder vom 16.9.2021
Bericht im Westfalenblatt vom 9.9.2021
Bericht im Westfalenblatt vom 11.9.2021
Bericht in der Neuen Westfälischen vom 11.9.2021
Bericht im Haller Kreisblatt vom 11.9.2021
Bericht Neue Westfäliche vom 28.7.2021: Reitclub gegründet und Ranch gekauft
Die Gütersloher Unternehmergattin Barbara Hagedorn hat einen Reitverein gegründet. Hauptstandort für dessen Aktivitäten wird eine Reitanlage in Familienbesitz. Eine zweimalige Deutsche Meisterin übernimmt die sportliche Leitung.
Gütersloh.Fußball, Schalke 04 und der FC Gütersloh sind die Hobbys von Abbruch-Unternehmer Thomas Hagedorn (50) aus Gütersloh. Und was ist mit dem Rest der Familie? Ehefrau Barbara und die Töchter Stella und Luna sind seit Jahren riesige Reitsportfans. Sie verbinden mit Pferdestärken mehr als die 700 PS eines Abrissbaggers, nämlich Hufe, Hafer und Halfter. Ihre Leidenschaft ist so groß, dass die Unternehmergattin jetzt die „lang gehegte Herzensangelegenheit" von einem eigenen Reitverein im Kreis Gütersloh verwirklicht hat. Passend dazu befindet sich ein grundstück im Besitz der Unternehmerfamilie, das schon in Kürze zur schmucken Reitanlage ausgebaut werden soll
Haller Kreisblatt 2.10.2021: Was sich Barbara Hagedorn von ihrer Pferde-Ranch verspricht
Neue Westfälische Gütersloh und Bielefeld, 2. und 4. 10.2021 Barbara Hagedorn: „Ich bin jetzt auch Landwirtin“
Auf dem fünf Hektar großen Areal einer ehemaligen Hofstätte an der Brockhagener Straße soll der Pferde-Pensionsbetrieb mit dem Namen SL Riding Ranch entstehen. Naturschützer haben gegen die Baugenehmigung geklagt. Die Arbeiten laufen derweil weiter. Foto: Andreas Frücht
Christian Bröder
Gütersloh. Die Wiese ist weg, die Bagger rollen: Auf dem gut fünf Hektar großen Areal an der Brockhagener Straße 285 kurz hinter Isselhorst laufen die Arbeiten für die geplante Reitanlage der Gütersloher Geschäftsfrau Barbara Hagedorn. Auf fünf Hektar will die 52-Jährige ihre „SL Riding Ranch“ verwirklichen und als landwirtschaftliche Unternehmerin einen Pensionstierhaltungsbetrieb errichten. Für ihr Vorhaben setzte er harsche Kritik von Naturschützern. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat gar vor dem Verwaltungsgericht in Minden eine Klage gegen die Erteilung der Baugenehmigung durch die Stadt Bielefeld eingereicht. Aus dem Sattel werfen lässt sich die passionierte Westernreiterin davon allerdings nicht. Wer meint, dass Barbara Hagedorn es mittlerweile bereut, die ehemalige, über viele Generationen geführte Hofstätte an der Brockhagener Straße 285 in Bielefeld-Holtkamp erworben zu haben und zu einem XXL-Reitprojekt „umsatteln“ zu wollen, der irrt. „Warum sollte ich das bereuen? Ich habe einen Antrag eingereicht und der wurde genehmigt.“, lässt sich die Unternehmerin nicht die Pferde scheu machen. „Viele Jahre der Vorbereitung und das Einbringen vieler Erfahrungen stecken in diesem Projekt.“ Ist das Konzept einmal realisiert, sollen ein Stall mit Funktionsbereich, eine Pferdebewegungshalle, eine Führanlage, eine Bergehalle und ein nicht versiegelter Außenplatz auf dem Gelände Platz finden zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören. Die Führung des Betriebs will Barbara Hagedorn in Eigenregie und in Ausübung unternehmerischer, selbstständiger Tätigkeit übernehmen. Das habe sie durch alle Behörden prüfen lassen und dabei alles offengelegt. Ihr Projekt stehe in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Thomas Hagedorn Holding GmbH ihres Mannes oder angeschlossenen Unternehmen. „Ich bin jetzt auch Landwirtin und freue mich auf meine neue Aufgabe. Da ich über 45 Jahre Erfahrung mit Pferden habe, sowie Zucht,- und Haltung und mittlerweile über 25 Jahre als Unternehmerin tätig bin, sehe ich mich der Aufgabe der Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Pensionspferdehaltung durchaus gewachsen.“
„Sachverhalt durch Vermutungen ersetzt und als Fakten präsentiert“
Der BUND bezweifelt indes, dass auf dem Gelände in Holtkamp ein landwirtschaftlicher Betrieb entstehen soll. Für die Naturschützer um ihren Sprecher Adalbert Niemeyer-Lüllwitz ist ganz offensichtlich, dass es sich hierbei um eine Anlage „für Freizeitzwecke“ handele, die – noch dazu – mitten in ein Landschaftsschutzgebiet geradezu hinein verpflanzt werde. Das Grundstück sei zu klein, der Hof zu groß. Eine Freizeitnutzung sei unzulässig. Dabei, so Barbara Hagedorn, räume die Umwelt- und Naturschutzorganisation ausdrücklich ein, dass sie nicht über alle notwendigen Informationen verfüge. „Ich hätte erwartet, dass der BUND den Sachverhalt nicht nur durch Vermutungen ersetzt und diese dann als Fakten präsentiert.“ Tatsächlich sei das Bauvorhaben des Pferde-Pensionsbetrieb SL Riding Ranch durch die Landwirtschaftskammer, das Bauamt und das Umweltamt der Stadt Bielefeld geprüft worden, sagt Barbara Hagedorn. „Alle Stellen kamen zu demselben Ergebnis: Das Projekt ist als landwirtschaftlicher Betrieb zulässig.“
Neueste Berechnung: 0,7 Hektar auf dem Gesamtgelände sollen versiegelt werden
Nur ein Teil des fünf Hektar großen Geländes soll demnach auch versiegelt werden. „Nach neusten Berechnungen sind sogar nur 0,7 Hektar durch Betriebsflächen belegt und somit werden auch nur 0,7 Hektar versiegelt“, verspricht Barbara Hagedorn. Freiflächen für den artgerechten Freilauf der Pferde seien gewährleistet. Hinzu würden rund 44 Hektar durch landwirtschaftlich genutzte Flächen zur Produktion von Futtermitteln kommen, so Barbara Hagedorn. Mit rund 50 Hektar Eigentum und Pachtflächen erreicht der Betrieb demnach eine Größe, „die eine landwirtschaftliche Nutzung ohne Weiteres auf Dauer sicherstellen“, sagt die Gütersloher Geschäftsfrau. In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden, für das am 16. September Klage gegen die durch die Stadt Bielefeld erteilte Baugenehmigung eingereicht wurde, ist Barbara Hagedorn so genannte Beigeladene. Der Prozessbevollmächtigte ist Rechtsanwalt und Notar Claas Birkemeyer von der Bielefelder Wirtschaftskanzlei Streibörger Part GmbB. Die Naturschützer begründen ihren Widerstand mit dem Landschaftsplan Bielefeld-West. Danach würde das Projekt in das Landschaftsbild eingreifen.
Einem Ziel der Klage, einen Einblick in die Genehmigungsunterlagen zu erlangen, ist der BUND bereits ein Stück näher gekommen. „Der Verwaltungsvorgang wurde an den Prozessbevollmächtigten übersendet“, teilt Gerichtssprecherin Amrei Stocksmeyer gegenüber der NW am Freitag mit. Wann und ob es überhaupt zu einer Verhandlung kommt, ist angesichts des frühen Stadiums in dem Verfahren noch nicht absehbar. An Reaktionen hat Barbara Hagedorn „durchweg viel Positives erfahren“, nachdem sie bereits am 30. Juni mit dem Riding Club Gütersloh (RCG) einen Reitverein gegründet hat. Hierbei gelte es allerdings, eines klarzustellen: „Der Reitverein ist ein Thema und die Anlage ein zweites Thema. Man sollte diese Themen nicht vermischen, zumal sie auch unterschiedliche Ansätze und Gründe haben.“ Überhaupt ist es für die Unternehmerin schon eher überraschend, dass ihr Projekt mittlerweile „so ein Thema“ für die Öffentlichkeit geworden sei. Auch Anwohner des Geländes und Reitvereine hätten sich mit ihr in Verbindung gesetzt. „Ja, viele haben mich angesprochen und es gibt einen positiven Austausch in guten, persönlichen Gesprächen“, erklärt die Geschäftsfrau, die in Zukunft auch als Landwirtin tätig sein will und dafür ihr Projekt vorantreibt. Die Bauarbeiten vorerst einzustellen, beabsichtigt sie jedenfalls nicht.