Kreisgruppe Bielefeld

Wurden Linden am Bultkamp kaputtgepflegt?

22. August 2022 | Bäume, BUND, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz

BUND: Stadt soll möglichen Verstoß gegen Naturschutzgesetz prüfen

Nach massivem Rückschnitt mitten im August ist an den Linden am Bultkamp kein Blatt mehr geblieben. Foto: BUND

Bielefeld 22.8.2022 | Anwohner des Bultkamp sind entsetzt und haben sich deshalb an den BUND gewandt: Eine ganze Lindenreihe an der Wohnanlage Bultkamp 160 wurde jetzt so radikal beschnitten, dass kein Blatt mehr am Baum geblieben ist. Und dass mitten im Hochsommer, wo Anwohner sich besonders an den heißen Tagen über jeden Schattenplatz und jedes Stück grüne Natur freuen.

Der BUND hat die Anfrage dazu mit der Bitte an das Umweltamt weiter geleitet, zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes vorliegt. Denn Gehölze, auch Bäume, sind ganzjährig geschützt. Fällungen oder starke Rückschnitte dürfen zum Schutz der Tierwelt erst wieder ab dem 1. Oktober vorgenommen werden. Ausgenommen davon sind nur notwendige Verkehrssicherungsmaßnahmen und schonende Pflegeschnitte. In diesem Fall handelt es sich aber nach Einschätzung von Baumexperten des BUND um ausgesprochen gesunde, vitale Winterlinden. 

Mit dem radikalen Rückschnitt und der Entfernung aller blatttragenden Äste mitten in der Vegetationsperiode und noch weit vor dem natürlichen Laubfall wurden die Bäume aus Sicht des BUND massiv geschädigt. Die Maßnahme sei fachlich absolut nicht nachvollziehbar. Über die Gründe lässt sich nur mutmaßen. Wollte der Eigentümer damit der am 1.10. geltenden Baumschutzsatzung vorgreifen, nach der solche Eingriffe in die Baumgesundheit strikt verboten sind? Oder wollte man damit den herbstliche Laubfall vorsorglich unterbinden, um so notwendige Reinigungsarbeiten auf dem darunter liegenden Parkplatz zu vermeiden?

Der BUND weist darauf hin, dass nach dem Naturschutzgesetz NRW Gehölze im Zeitraum vom 1. März bis 30. September nicht abgeschnitten, auf den Stock gesetzt oder beseitigt werden dürfen. Zulässig sind nur schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen. Die hier am Bultkamp durchgeführten Rückschnitte sind aus Sicht des BUND eindeutig nicht als solche zulässigen Maßnahmen zu bewerten. Von schonender Pflege könne keine Rede sei, eher seien die Bäume durch den Eingriff „kaputtgepflegt“ worden. Das Beispiel zeige auch, wie dringend die Wiedereinführung einer Baumschutzsatzung in der Stadt ist. 

UPDATE 23. und 24.8.2022:

Nach Auskunft des Umweltamtes liegt kein Verstoß gehen das Naturschutzgesetz vor. Bei der Fläche handelt es sich danach um eine gärtnerisch genutzte Grundfläche (die Sträucher werden regelmäßig in Form geschnitten), somit sei der Schnitt der Bäume nach den Vorgaben des § 39 (5) Bundesnaturschutzgesetz auch während der Brutzeit (01.03. bis 30.09.) erlaubt, sofern geschützte Nist- und Brutvorkommen von Tieren wie Vögeln und Säugetieren nicht beeinträchtigt werden. Das müsse vor einer solchen Maßnahme geprüft werden.

Wir halten dennoch fest, dass solche radikalen Rückschnitte mitten im Hochsommer äußerst fragwürdig sind. Auch wenn der Rückschnitt rechtlich zulässig war, ist er u.E. aus Sicht von Baumschutz und Stadtklima nicht vertretbar, denn den Bäumen wurde mitten in der Vegetationsperiode die gesamte Blattmasse genommen. In der Neuen Westfälischen begründet der ausführende Betrieb den Rückschnitt jetzt damit, dass die Bäume  grundsätzlich kurz gehalten werden sollen und Sommerschnitte von den Bäumen dabei besser vertragen werden, als ein Rückschnitt im Winter. Doch warum wurden für einen höhenbegrenzenden Rückschnitt alle laubtragenden Äste entfernt? Dazu hätte doch der Rückschnitt einzelner starke Äste genügt. Aus gärtnerisch-fachliche Sicht lann hier von einem gezielten Formschnitt nicht gesprochen werden. Bei einem solchen Schnitt werden Kronen gleichmäßig in die gewünschte Form zurückgeschnitten. Gerade die innen liegenden Äste bleiben erhalten, um eine dicht wachsende Kronenform hinzubekommen. In diesem Fall wurde alles entfernt, was Blätter trägt, z.T. bis an den Stamm heran.

Der BUND geht davon aus, dass solche massiven Eingriffe, die auch die Baumgesundheit, das natürliche Wachstum und die Vitalität beeinträchtigen, nach Inkrafttreten der neuen Baumschutzsatzung nicht mehr zulässig sein werden. Nach § 3 der neuen Baumschutzsatzung darf ein Baum „in seinem Aufbau“ nicht wesentlich verändert werden. Sein „charakteristisches Aussehen“ darf nicht beeinträchtigt werden. Von Natur aus bilden Winterlinden charakteristische große, bis 30 m hohe Kronen. An vielen Stellen der Stadt kann man aktuell solche stattlichen Bäume finden, die mit ihrer Blattmasse erheblich zur Abkühlung an heißen Tagen beitragen. Sie stehen oft auch viel dichter an Häuern, als in diesem Fall, wo der Abstand zu der Wohnanlage so groß ist, dass die Bäume problemlos große und auch breite Kronen ohne Notwendigkeit von Rückschnitten entwickeln können. Die Linden bilden hier auch einen Ersatz für nicht vorhandene Straßenbäume. Bei solchen stadtklimatisch besonders wirksamen Bäumen sollten radikale Rückschnitt und auch Formschnitte unterbleiben. Gerade das Grün der Bäume trägt in solchen Straßen zur Abkühlung und Milderung des Hitzestress bei. Der BUND bittet alle Grundeigentümer, aus diesem Grund auf solche Rückschnitte im Sommer zu verzichten. 

 

 

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