Kreisgruppe Bielefeld

Untersee: Offener Brief der Naturschutzverbände

11. August 2023 | Bäche, BUND, Flüsse & Gewässer, Lebensräume, Naturschutz

Johannisbachaue als Naturschutzgebiet ausweisen - Brief von BUND, NABU, Naturwissenschaftlicher Verein und pro grün an OB, Stadtrat und Bezirksregierung – Untersee aus dem Regionalplan streichen

Luftbild der Johannisbachaue, Foto: Lukas Jürgenschellert

Bielefeld, 10.08.2023| Mit einem Offenen Brief wenden sich die Bielefelder Natur- und Umweltschutzverbände an OB Pit Clausen, den Rat der Stadt Bielefeld, den Regionalrat Detmold und die Bezirksregierung Detmold. Nachfolgend Auszüge. Der vollständige Text wird zum Download bereitgestellt. 

Im Nachgang zum Beschluss des Regionalrates vom 19.6.2023, den Ausgleichsvorschlag der Bezirks-regierung zur Herausnahme des Untersees in der Johannisbachaue Bielefeld abzulehnen, sowie als Beitrag zur Diskussion des Regionalplanentwurfes OWL im Zuge der erneuten Offenlegung, fordern die Naturschutzverbände:

1. von der Stadtverwaltung und vom Rat der Stadt Bielefeld:

1.1. jeden möglichen Einfluss auf den Regionalrat und die Bezirksregierung wahrzunehmen, um den im Regionalrat abgelehnten Ausgleichsvorschlag der Bezirksregierung bzgl. des sog. Un-tersees aufrecht zu erhalten und die Johannisbachaue zwischen Obersee und Herforder Straße weiterhin großräumig als Bereich zum Schutz der Natur (BSN) darzustellen,

1.2. die Ausweisung der Johannisbachaue als Naturschutzgebiet und die Anpassung des Land-schaftsplans Ost schnellstmöglich voranzutreiben,

1.3. unverzüglich alle Maßnahmen des Umsetzungsfahrplanes der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Bereich der Johannisbachaue zu realisieren

2. vom Regionalrat Detmold:

2.1. dem ursprünglichen Ausgleichsvorschlag der Bezirksregierung zur Herausnahme des Unter-sees in der Johannisbachaue Bielefeld zuzustimmen und

2.2. die Johannisbachaue zwischen Obersee und Herforder Straße großräumig als Bereich zum Schutz der Natur (BSN) darzustellen

3. von der Bezirksregierung Detmold:

3.1. den genannten Beschluss des Regionalrates vom 19.6.2023 zu beanstanden,

3.2. ihren Ausgleichsvorschlag im Regionalplan-Entwurf 2023 zur Herausnahme des Untersees in der Johannisbachaue Bielefeld beizubehalten,

3.3. Bemühungen der Stadt Bielefeld zur Ausweisung der Johannisbachaue als Naturschutzgebiet zu unterstützen,

3.4. die für die Stadt Bielefeld verbindlichen Maßnahmen des Umsetzungsfahrplanes der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Bereich der Bielefelder Johannisbachaue planerisch und finanziell zu unterstützen, u.a. durch Bewilligung entsprechender Fördermittel.

Die Gründe für die Schutzwürdigkeit der Bielefelder Johannisbachaue im Verbund mit dem Bielefelder Obersee wurden in den vergangenen Jahren mehrfach ausführlich dargelegt und werden hier nicht mehr detailliert wiederholt. Wer bereit und in der Lage ist, diese fachlichen Argumente zur Kenntnis zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen, dem werden folgende Informationsquellen empfohlen. (…) Die genannten Quellen beschreiben objektive, belegbare und rechtsrelevante Gründe für die Erhaltung und den Schutz der Johannisbachaue sowie deren naturnahe Weiterentwicklung für die landschaftsorientierte, stille Erholung. Diese nachprüfbaren Fakten sind weit gewichtiger zu bewerten als realitätsferne Wunschvorstellungen der Seebefürworter, werden aber leider von diesen schlichtweg ignoriert. (…)

Die Mitglieder des Regionalrates sind verpflichtet, ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln, und sie sind da-bei nicht an Aufträge gebunden (§ 11 Landesplanungsgesetz NRW). Im vorliegenden Fall lassen aller-dings verschiedene Indizien vermuten, dass dieser Vorschrift nicht hinreichend genügt wurde:

a) Der Planungswille der Stadt Bielefeld wurde durch mehrheitlichen Ratsbeschluss. Es mag sein, dass die im Regionalrat vertretenen Stadtratsmitglieder von CDU und FDP seinerzeit überstimmt worden sind. Gleichwohl kam jener Beschluss demokratisch zustande und es ist üblich, dass sich auch unterlegene Meinungen einem Mehrheitsbeschluss beugen. Ihrer freien Überzeugung hätten diese Mitglieder im Regionalrat auch durch Enthaltung nachkommen können bzw.  dem demokratischen Anstand entsprechend - nachkommen müssen. Das Abstimmungsverhalten der Stadtratsmitglieder widerspricht außerdem dem Geist des § 113 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW), demzufolge die Vertretung des Gemeinde in Unternehmen oder Einrichtungen an die Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse gebunden sind. Dass sich jedoch die gesamten Fraktionen von CDU und FDP/FW sowie der Vertreter der AFD im Regionalrat gegen den Ratswillen der Stadt Bielefeld positioniert haben, war klar ideologisch-parteipolitisch motiviert und kann kaum durch freie persönliche Überzeugung aller einzelnen Mitglieder begründet werden. Denn welche auf das öffentliche Wohl bestimmte Überzeugung sollten Mitglieder beispielsweise aus Borgholzhausen, Espelkamp, Höxter, Altenbeken oder Minden haben, eine kommunale Planung in Bielefeld zu blockieren, wenn sie nicht an Aufträge gebunden sind – also auch nicht solche aus der eigenen Fraktion?

b) Für die ablehnende Haltung von CDU, FDP/FW und AFD im Regionalrat war somit ganz offen-sichtlich nicht das durch den demokratisch legitimierten Stadtratsbeschluss geprägte öffentliche Wohl bestimmend, sondern ein parteipolitischer Schachzug. Das öffentliche Wohl spiegelt sich hingegen klar in den sozialen, stadtplanerischen, umwelt- und naturschutzrelevanten Erwägungen der Ratsentscheidung, die in der Ausweisung der Aue als Naturschutz- und Naherholungsgebiet mündete, und die nicht einer weiteren Bebauung ökologisch hochwertiger Freiräume und der Kommerzialisierung der Naherholung Vorschub leisten wollte.  

Der vollständige offene Brief als PDF

Bericht in der NW vom 11.8.2023

Bericht im Westfalenblatt vom 11.8.2023

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