Nach dem BUND melden sich jetzt weitere Stimmen, die die Entscheidung im Regionalrat zum Untersee kritisieren. Nachfolgend geben wir die Stellungnahmen von pro grün.V., Naturwissenschaftlicher Verein und Projektkonferenz Baumheide wieder. Im Regionalrat hatte die CDU einen Antrag eingebracht, an der Planung des Untersees festzuhalten und der Vorlage der Bezirksplanungsbehörde dazu nicht zu folgen. Diese hatte vorgeschlagen, stattdessen die Johannisbachaue als Bereich zum Schutz der Natur (BSN) auszuweisen und den dort geplanten Freizeitsee zu streichen. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, FDP und AFD beschlossen (10 : 9 Stimmen). Die eine Stimme der AFD gab dafür den Ausschlag. Ansonsten wäre der Antrag bei Stimmengleichheit von 9 : 9 gescheitert. Im Protokoll der Sitzung heißt es dazu: "Der Vorschlag der Regionalplanungsbehörde hat somit keine Mehrheit erhalten. Es bleibt bei der zeichnerischen Darstellung des fraglichen Bereiches im Regionalplanentwurf 2020".
Stellungnahme von Pro Grün: Ein Stück aus dem politischen Tollhaus
Der Ratsbeschluss der Stadt Bielefeld, die Johannisbachaue unter Naturschutz zu stellen, war überfällig und konsequent, denn er vollzieht die reale Entwicklung des Gebietes zu einem wertvollen Lebensraum zum Wohl seltener Tier- und Pflanzenarten nach. In Zeiten des Klimawandels gelingt es nur mit großen Anstrengungen die Wasserqualität des Obersees einigermaßen im Griff zu behalten, wenn auch weit unterhalb der Qualität eines Badegewässers. Dass in einem nachgeschalteten Untersee die Wasserqualität sprunghaft ansteigt, um als Freizeitsee zu taugen, ist utopisch. Trotzdem halten zahlreiche Bielefelder Politikerinnen und Politiker an der seit über einem halben Jahrhundert nicht umsetzbaren Idee fest und blockieren wichtige Entscheidungen für den Natur- und Klimaschutz. CDU und FDP missbrauchen – unterstützt durch die AfD - den Regionalrat, um eine wichtige Zukunftsentscheidung des Bielefelder Rates zu blockieren. Ein Stück aus dem politischen Tollhaus. pro grün e.V. fordert den Entschluss des Detmolder Regionalrates zum Bielefelder Untersee zurückzunehmen, denn auch die Regionalplanungsbehörde favorisiert die Naturschutzausweisung. pro grün e.V. bittet die Aufsichtsorgane des Regionalrates der Bezirksregierung Detmold und im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium zu prüfen, ob der Regionalrat durch einzelne Mitglieder missbraucht wurde, um kommunale Entscheidungen zu blockieren. pro grün e.V. bittet den Oberbürgermeister zu prüfen, ob die Bielefelder Mitglieder des Regionalrates in ihrer abschließenden Abstimmung des Regionalplans nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung gebunden werden können, für die Umsetzung des Ratsbeschlusses zu votieren
Projektkonferenz Baumheide: „Johannisbachaue wichtiger Baustein für das INSEK Baumheide“
Mit großer Verärgerung hat die Projektkonferenz Baumheide auf das Abstimmungsverhalten von FDP und CDU im Regionalrat reagiert, berichtet das Westfalenblatt. Die Weiterentwicklung der Johannisbachaue zu einem naturnahen Naherholungsgebiet würde so ausgebremst. FDP und CDU würden sich damit nicht nur über den entsprechenden Ratsbeschluss hinweggesetzen, sie ignorierten auch die seit Jahren bekannten Fakten, die eindeutig gegen einen Freizeitsee in der Aue sprechen. Stattdessen hielten FDP und CDU wider besseren Wissens rechthaberisch an einer Illusion fest. Die Ankündigung des Abstimmungsverhaltens im Vorfeld erwecke zudem den Eindruck billiger Effekthascherei. Dass die Johannisbachaue ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaschutzziele der Stadt ist, dürfte für CDU und FDP keineswegs neu sein. Darüber hinaus habe die Johannisbachaue eine große Bedeutung als Naherholungsgebiet für die umliegenden Stadtteile. So sei die Aue Teil des „Gründreiecks“, das in den nächsten Jahren im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes INSEK entstehen soll. Zusammen mit den Grünzügen an der Kammeratsheide im Westen, dem Wellbach und der in Planung befindlichen Lutteraue im Osten Baumheides könne die Johannisbachaue künftig einen Grünzug rundum den Stadtteil bilden. Für die Menschen in Baumheide bedeute das eine erhebliche Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität in ihrem Quartier. Würde ein Freizeitsee optional im Regionalplan erhalten, wäre eine Weiterentwicklung der Johannisbachaue zum naturnahen Naherholungsgebiet jedoch bis ins Jahr 2045 ausgeschlossen. Deshalb hat die Projektkonferenz FDP und CDU nachdrücklich aufgefrdert, bei der finalen Beschlussfassung über den Regionalplan im Herbst dieses Jahres ihre Fehlentscheidung zu korrigieren.
Stellungnahme des Naturwissenschaftlichen Vereins: Das Johannisbachtal gehört zu den artenreichsten Naturgebieten im Bielefelder Raum.
Wie auch der CDU bekannte Untersuchungen der letzten Jahre und auch in diesem Jahr gezeigt haben, weist das Gebiet einen außergewöhnlich hohen Artenreichtum an Pflanzen- sowie Tierarten auf, von denen etliche nicht nur im Raum Bielefeld, sondern darüber hinaus in ganz Nordrhein-Westfalen als selten und zum Teil als stark gefährdet eingestuft sind. Dies gilt vor allem für die Vogelwelt, da das Gebiet für etliche gefährdete Arten wie Nachtigall, Kuckuck, Neuntöter (2023: 2 neue Reviere!), Rebhuhn, Feldlerche, Schwarzkehlchen, Sumpfrohrsänger und Kiebitze einen wichtigen Brut-Lebensraum und z.T. eines ihrer letzten Rückzugsgebiete in der Region darstellt und auch für viele Gastvögel wie Rotmilan, Baumfalke, Bekassine oder Braunkehlchen als Nahrungs- und Rasthabitat dient. Ein Publikumsmagnet, gerade auch für Familien, sind zudem die Weißstörche, aber auch andere hier teils unmittelbar hinter dem Zaun beobachtbare Tiere wie eine Fuchsfamilie im Jahr 2020, die viele Fotografen anlockte.
Auch hinsichtlich des Reichtums an Pflanzen ist das Gebiet eines der wichtigsten für den Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität in Bielefelder Raum. So wurden 2020 im Bereich des Heckrindbeweidungsgebietes über 150 Pflanzenarten nachgewiesen, darunter selten gewordene Arten wie die als gefährdet eingestufte Blasen-Segge, die stark gefährdete Gelbe Teichrose oder große Bestände der Sumpf-Dotterblume, die ebenfalls inzwischen zu den gefährdeten Pflanzenarten zählt. Hinzu kommen im Umfeld der Grünlandflächen hoch bedrohte Ackerwildkräuter, wie der auch 2023 hier erfasste und in NRW als stark gefährdet eingestufte Acker-Zahntrost.
Die Stadt Bielefeld hat daher zu Recht entschieden, dieses Gebiet für eine facettenreiche stille Naherholung vorzusehen und zum Schutz der auf dieses Gebiet angewiesenen Tier- und Pflanzenarten die Aue als Naturschutzgebiet auszuweisen. Ein intensiv genutzter Freizeitsee würde diesen für Bielefeld äußerst wertvollen und einmaligen Naturraum unwiederbringlich zerstören.
Es ist beschämend für eine demokratische Partei, dass sie zum Durchsetzen ihres Antrages den Schulterschluss mit einer rechtsextremen Partei gesucht hat, und es zeigt, wo zumindest Teile der CDU nach wie vor bei wichtigen Themen stehen, fernab des vordinglichen Ziels Klimaschutz, fernab des Erhaltes der Artenvielfalt, die im besten Fall zum Lippenbekenntnis taugen. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt Bielefeld sich von dieser klaren Fehlentscheidung des Regionalrates nicht beeinflussen lässt und an der Planung des Naturschutzgebietes Johannisbachaue in dieser - noch – einzigartigen Kulturlandschaft im Bielefelder Raum festhält.
Bildstrecke: Artenreiche Tier und Pflanzenwelt und Beweidungsprojekt mit Heckrindern in der Johannisbachaue. Fotos: Claudia Quirini-Jürgens, Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins von Bielefeld und Umgegend