Bielefeld-Quelle, 25.03.2022 | Eine solche Anlage gibt es nur einmal in der Stadt: Auf großer Fläche kann das anfallende Niederschlagswasser aus mehrere Baugebieten natürlich versickern. Ganz nebenbei hat sich daraus in 20 Jahren ein ökologisch wertvoller Lebensraum entwickelt. Gegen den Plan der Stadt, hier stattdessen ein künstliches Rückhaltebecken zu bauen, hat der BUND protestiert und fundiert Stellung genommen. Politische Parteien haben dieses Anliegen unterstützt. Jetzt ist die Verwaltung der Kritik weitgehend gefolgt: Anstelle des Beckens soll die Fläche als „Gewässerretentionsraum“ entwickelt und damit im Kern erhalten bleiben.
Die Untere Wasserbehörde (UNB) als zuständige Genehmigungsbehörde sieht zwar weiterhin Probleme mit der Anlage. „Die Einleitungen sind stark verschlammt“, schreibt die UNB, „wodurch sich die Abflussleistung der Rohre verringert. Kolke, Staunässe und verstopfte Rohrleitungen stehen im Widerspruch zu der genehmigten Versickerungsanlage und müssten aus Sicht des Betreibers und der Aufsichtsbehörde beseitigt werden“. Dennoch sei davon auszugehen, „dass die Anlage Alleestraße auf Grund ihrer Größe auch bei außergewöhnlichen Niederschlagsereignissen keine hydraulischen Auffälligkeiten zeigen wird“. Und weiter: „Auch nach einer Vollfüllung aller Speicherräume steht bei weiterem Wasseranfall im südlichen Bereich eine Ablaufmöglichkeit in das Nebengewässer 34.12 zur Ems-Lutter als Notüberlauf zur Verfügung“.
Biotopkartierung und ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag bestätigen ökologischen Wert
Damit wird das bestätigt, was der BUND in einer Stellungnahme nach den Starkregenereignissen im September 2021 ausgeführt hat: Die Anlage kann auch extreme Niederschlagsmengen noch ohne große Probleme aufnehmen. Sie muss nicht durch ein größeres künstliches Becken ersetzt werden. Die Stadt bestätigt in ihrer aktuellen Stellungnahme auch die Einschätzung des BUND zum ökologischen Wert der Fläche. Dazu liegen jetzt Ergebnisse einer Biotopkartierung und ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag vor. Danach haben sich ökologisch wertvolle Bereiche entwickelt. „Die Entstehung der Biotope ist auf die kontinuierlichen städtischen Niederschlagswassereinleitungen in die Anlagenfläche und somit stellenweise Vernässung der Böden zurückzuführen“.
Mehrere gesetzlich geschützte Biotope vorhanden
Konkret heißt es dazu: „Im Ergebnis wurden 13 repräsentative Stichprobenflächen analysiert, von denen 6 Flächen u.a. mit flächenhaften feuchten Hochstaudenfluren, Großseggenried, Röhrrichtbeständen und einem stehenden Kleingewässer die Kriterien des § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) an gesetzlich geschützte Biotope erfüllen. (…) Innerhalb des Untersuchungsgebiets wurden gemäß des artenschutzrechtlichen Fachbeitrags - Stufe 1 - im Rahmen der Datenrecherche 46 planungsrelevante Arten ermittelt, von denen 10 zu den Säugetieren, 34 zu den Vögeln und jeweils eine Art zu den Amphibien und Fischen zählen. So ist die Vorhabensfläche bspw. gut als Nahrungshabitat für störungstolerante Vogel- und Fledermausarten des Siedlungsbereichs (z. B. Schwalben, Stare, Fledermäuse der Umgebung) geeignet. (…) Die Vorhabensfläche eignet sich darüber hinaus grundsätzlich als Lebensraum für Amphibien und eine Vielzahl von Insekten, ist jedoch ungeeignet für Reptilien (...). Es wurde zudem festgestellt, dass zum Erhalt dieser gesetzlich geschützten Biotopflächen die Regenwasserzuleitungen erhalten bleiben müssen. Eine jegliche Veränderung der Bodenfeuchte würde demnach zu einer Veränderung der anstehenden Vegetation, der einzelnen Pflanzenvorkommen und Artenzusammensetzungen führen“.
Die Lösung: „Gewässerretentionsraum“
In Abstimmung der Stadtentwässerung (Umweltbetrieb) mit der Unteren Wasserbehörde (Umweltamt) wurde jetzt nach einer Lösung gesucht, die sowohl den Belangen der Stadtentwässerung gerecht wird, als auch den Erhalt der vorhandenen Biotopflächen ermöglicht. Als mögliche Lösung wird Folgendes geplant: Die bisherige Abwasseranlage „Alleestraße“ wird in einen Gewässerretentionsraum als Bestandteil des Gewässers unter besonderer Berücksichtigung und zum Erhalt der schützenswerten Biotope umgewandelt. Details dazu befinden sich derzeit in der Abstimmung zwischen Umweltamt und Umweltbetrieb. Ein Ingenieurbüro soll mit der Konkretisierung beauftragt werden. Für den Gewässerretentionsraum soll dann ein Planfeststellungsverfahren bis spätestens im zweiten Halbjahr 2022 durchgeführt werden. Der BUND geht davon aus, dass der Naturschutzbeirat und die Verbände daran beteiligt werden.
Informationsvorlage der Stadt (PDF)
Ergebnisse der Biotopkartierung (PDF)
Ergebnisse der Biotoptypenkartierung - Kartenüberblick (PDF)
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag (PDF)