Kreisgruppe Bielefeld

Gewässerschutz im Windwehetal durchkreuzt Naturschutzziele

23. März 2022 | Bäche, BUND, Flüsse & Gewässer, Naturschutz

Wasserwirtschaftliche Einstufung der Windwehe als erheblich verändertes Gewässer. Zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an der Windwehe in Bielefeld und Leopoldshöhe, Teil I

Oberlauf der Windwehe im Kreis Lippe. Foto: BUND-KG Lippe, Karl-Heinz Meyer

Die Windwehe enspringt im Kreis Lippe, erreicht in Heepen Bielefelder Stadtgebiet und mündet nahe der Eckendorfer Straße in die Weserlutter. Große Teile der Bachaue stehen unter Naturschutz. Aufgrund der ökologischen Bedeutung besonders für den Biotopverbund haben die Naturschutzverbände eine Ausweisung als "Bereich zum Schutz der Natur" (BSN) im Regionalplan gefordert.  Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) müssen alle Gewässer bis 2027 einen guten ökologischen Zustand aufweisen. Von dieser gesetzlichen Verpflichtung ist an der Windwehe, trotz der Unterschutzstellung, noch auf großen Teilabschnitten nicht viel zu erkennen. 

Schutzziele im NSG Windwehetal

Das Schutzziel des im Jahre 1998 vom Kreis Lippe ausgewiesenen Naturschutzgebietes Windwehetal mit der Bezeichnung LIP-037 ist der Erhalt und die Optimierung eines morphologisch besonders ausgeprägten Talsystems mit naturnahem Bach, Ufergehölzen und Auwaldbeständen sowie Wiederherstellung extensiv genutzter, tlw. feuchter Grünlandflächen. An der Kreisgrenze zu Bielefeld (Abb. 1) schließt sich das schon seit 1991 bestehende NSG BI-018 Windweheniederung der Stadt Bielefeld an. Hier wird das Schutzziel mit dem Erhalt und der Optimierung einer naturnahen Bachniederung mit Ufergehölzen und natürlichen Saumgesellschaften, Erhaltung der Fließgewässerdynamik mit Mäandern, Gleit- und Prallufern angegeben.

Dem steht die Einstufung der Windwehe  mit der Gewässernummer 46462 als erheblich verändertes Gewässer (HMWB, aus dem engl. “heavily modified water body” abgeleitetes Kurzzeichen) im Bewirtschaftungsplan 2022 – 2027 (s. Linksammlung) zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) entgegen, wonach gegenüber dem eigentlich geforderten guten Zustand des Gewässers nur eine abgeschwächtes Ziel erreicht werden muss. Gründe der Landentwässerung und des Hochwasserschutzes sollen dafür ausschlaggebend sein. Die Begründung für diese sogenannte Fallgruppe ist im Plan nicht auffindbar. Auch für alle weiteren HMWB-Gewässer in NRW fehlt die zu Beginn der neuen Bewirtschaftungsphase nochmalige Begründung dieser Einstufung. Der neue Bewirtschaftungsplan des Landes Hessen beispielsweise enthält für jeden als erheblich verändert ausgewiesenen Wasserkörper eine ausführliche Begründung der Einstufung. Kritische Stellungnahmen zur Einstufung blieben schon 2008 unbeachtet

Nach den ersten 3 Fließkilometern im Oberlauf der Windwehe mit stark überformten, aber auch naturnahen Abschnitten erstreckt sich das gemeinsame Naturschutzgebiet des Kreises Lippe und der Stadt Bielefeld über insgesamt 8 km bis kurz vor der Mündung in die Weser-Lutter. Schon im Jahre 2008 in der ersten öffentlichen Beteiligungsphase zum damaligen Entwurf des Bewirtschaftungsplans wurde die Einstufung der Windwehe beanstandet. Das wiederholte sich in der zweiten und auch im letzten Jahr bei der dritten Beteiligung, ohne dass die Einstufung korrigiert wurde, wie der jetzt gültige Bewirtschaftungsplan belegt.

In den Stellungnahmen zum Entwurf dieses Bewirtschaftungsplans wurde deutlich gefordert, die HMWB-Überprüfung der Windwehe zu Beginn der 3. Umsetzungsphase offenzulegen und ggf. eine Anpassung der Einstufung zu NWB (natürlicher Wasserkörper) vorzunehmen. Der Wasserkörper ist ein Fachbegriff der WRRL. Mit ihm wird die kleinste zu bewirtschaftende Einheit erfasst. Hier ist das die ganze Windwehe.

Der Blick in den Steckbrief des Bewirtschaftungsplans 2022-2027 bestätigt, dass dieser Bach jetzt erneut und  verbindlich als erheblich verändert eingestuft worden ist. Bei der gegebenen guten Ausstattung des Naturschutzgebietes und dem vorhandenen Platz für eine dynamische Gewässerentwicklung ist das unplausibel. Nachfolgend wird diese Sicht vertieft.

Neue Strukturkartierdaten spielten für die Überprüfung der Einstufung keine Rolle

Im Kapitel 13.1.2.1 des dritten Bewirtschaftungsplans wird ausgeführt, dass bei der Aktualisierung auf eine überarbeitete Datenbasis zurückgegriffen werden konnte. Die umfangreichen Nach- bzw. Neukartierungen der Gewässerstruktur hatten in wenigen Fällen eine Anpassung der Gewässereinstufung zur Folge, heißt es dort.

Die Strukturen der Windwehe wurden nach 2012 im Jahre 2020 auf ganzer Länge neu kartiert. Der Steckbrief des jetzt verbindlichen Bewirtschaftungsplans zeigt eine Häufigkeitsverteilung der Gewässerstruktur,  die nach einem Datenabgleich im ELWASWEB-NRW zur Kartierung 2012 passt (siehe dazu die Abb. 4). Eine Überprüfung der Gewässereinstufung auf Basis der Neukartierung ist daher wohl nicht erfolgt. Wer sich ein Bild der Windwehe machen möchte, kann dazu die von BUND-Mitglied Karlheinz Meier im Internet angebotenen Fotowanderungen in diesen beiden Kartierjahren aufrufen.

Falsche Zielbotschaft zur Gewässerstruktur im Gewässersteckbrief

Die Maßnahmenübersichten der Bezirksregierung Detmold (s. Linksammlung), auf die im Bewirtschaftungsplan verwiesen wird, enthält auch einen Steckbrief zur Windwehe. Der dort angegebene durchschnittliche Klassenwert für die Gewässerstrukturgüte wird in diesem Beitrag nicht diskutiert, da mit einem derartigen Wert die falsche Vorstellung einer Zielgröße für die Gewässerstruktur geweckt wird. Das passt nicht zum Strahlwirkungskonzept, bei dem es auf die Entwicklung und Verteilung guter Strukturen entlang des Wasserkörpers ankommt, um wegen gegebener Restriktionen schlechte Abschnitte überbrücken zu können. Dieser Mittelwert sollte generell in den Steckbriefen gelöscht werden. Eine schematische Übersicht zur Verteilung der Strukturgüteklassen entlang des Wasserkörpers, wie sie Abb. 4 zeigt, wäre wünschenswert, um sich über das Ausmaß der bestehenden Veränderungen einen schnellen Eindruck verschaffen zu können.

Die Angabe eines durchschnittlichen Habitatindexes im Steckbrief macht dagegen Sinn, wenn dieser Index in den Kartierabschnitten des Wasserkörpers durchgehend erhoben wurde. Das ist für die Windwehe der Fall. Der Index bildet die biologisch besonders relevanten Einzelparameter der Gewässerstruktur ab. Sein ermittelter Wert unter 4, der eine nur noch mäßige Beeinträchtigung bedeutet, spricht ebenfalls für die Einstufung als natürlicher Wasserkörper.

Die wasserwirtschaftliche Einstufung der Windwehe konterkariert das Naturschutzziel

Das mit der Einstufung der Windwehe als erheblich verändertes Gewässer verbundene Ziel eines guten ökologischen Potenzials ist unzureichend und passt aus den dargelegten Gründen nicht zu den Naturschutzzielen. Wie jetzt schon mehrfach angesprochen wird im Steckbrief als HMWB-Fallgruppe die Nutzung “Landentwässerung und Hochwasser” angegeben.  Allenfalls entlang der 3 km des Oberlaufs können diese Nutzungen relevant sein. Inwieweit sich die dortige Gewässerentwicklung zu einem guten Zustand signifikant nachteilig auf die bestehenden Nutzungen auswirken soll, wird nicht belegt.

In dem sich anschließenden 8 km langen Naturschutzgebiet kann aus dem Schutzziel, ein naturnahes Bachsystem zu erhalten und zu optimieren nichts werden, wenn in dem verbindlichen Bewirtschaftungsplan 2022 – 2027 durch die dort erfolgte Einstufung des Baches ein weniger hohes Ziel als ausreichend vorgegeben wird.

Linksammlung zur Vertiefung des Themas:

Der BUND informiert hier über die EU-WRRL. Wer mehr erfahren und sich in die  nicht einfachen Dokumente der WRRL vertiefen möchte, findet Informationen auf der offiziellen Internetseite des Landes NRW zur Umsetzung der EU-WRRL https://www.flussgebiete.nrw.de/  sowie im Fachinformationssystem der Wasserwirtschaftsverwaltung www.elwasweb.nrw.de/Die Bezirksregierung Detmold bietet Internetseiten zu den Maßnahmenübersichten nach § 74 LWG an.

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