Kreisgruppe Bielefeld

Fernwasser aus dem Ruhrgebiet? Naturschutzbeirat fordert umfassende Aufklärung vor einer Entscheidung

03. Juli 2024 | BUND, Klimawandel, Lebensräume, Ressourcen & Technik

Stadtwerke berichten im Naturschutzbeirat. Viele Fragen bleiben aus Sicht des Beirates offen.  

Wassergewinnung der Stadtwerke Bielefeld im Furlbachtal. Foto: BUND

Bielefeld, 02.07.2024. Der Naturschutzbeirat hat heute über die künftige Trinkwasserversorgung der Stadt und einen möglichen Bezug von Fernwasser beraten. Hintergrund: Die Stadtwerke hatten die Absicht angekündigt, durch Bau einer Fernwasserleitung künftig Trinkwasser aus dem Einzugsbereich des Ruhrgebietes beziehen zu wollen. Dazu solle ein Vertrag mit dem Unternehmen Gelsenwasser AG abgeschlossen werden.

Mit einem Vortrag stellten Vertreter der Stadtwerke diese Planungen vor. Grundlage sei ein weiter steigender Trinkwasserbedarf mit möglichen Engpässen in sommerlichen Dürreperioden. Daraus ergäbe sich bis 2050 eine mögliche Beschaffungslücke von bis zu 6,8 Mio m³/Jahr.  Selbst bei Ausschöpfung aller zusätzlichen Fördermöglichkeiten bliebe ein mögliches Defizit, das mit dem Zukauf von Trinkwasser und Bau einer Fernwasserleitung gedeckt werden solle.

Mit einem weiteren Vortrag brachte Dr. Manfred Dümmer für den BUND Zweifel an diesem Konzept zum Ausdruck. Nicht berücksichtigt seien u.a. Reserven zahlreicher stillgelegter Brunnen (Umfang ca. 3 Mio m³/Jahr) und Potenziale von gezielten Wassersparmaßnahmen in kritischen Sommermonaten. Die Frage, warum die stillgelegten Brunnen nicht weiter genutzt werden könnten, sei nicht geklärt. Der BUND habe dazu schon im März eine Anfrage nach Umweltinformationsgesetz mit zahlreichen Fragen an die Stadtwerke gerichtet, die bisher unbeantwortet geblieben sei. Dümmer betonte, das Wasserhaushaltsgesetz (§ 50 WHG Absatz 2 die Stadt dazu verpflichte, der ortsnahen Wasserversorgung einen Vorrang einzuräumen. 

Viele weitere Fragen wurden in der folgenden Diskussion von Mitgliedern des Beirates vorgebracht. Unklar blieb im Vortrag und in der Diskussion seitens der Stadtwerke, wie sich genau der Mehrbedarf von 6,8 Mio. m³/Jahr bei einer Gesamtförderung von derzeit 19 Mio. m³/Jahr ergibt. Nach dieser Zahl würde damit der Trinkwasserbedarf bis zum Jahr 2050 um 36 % steigen! Das würde in der Zeit einem Anwachsen der Stadtbevölkerung von derzeit ca. 340.000 auf 460.000 Einwohnern entsprechen. Für eine solche Bevölkerungsentwicklung gibt es aktuell weder Hinweis noch Belege. 

Aus Sicht mehrerer Mitglieder müssten bei einem Trinkwasserkonzept der Stadt künftig in Zeiten des Klimawandels besonders auch Sparmaßnahmen Berücksichtigung finden. Wenn das, wie die Vertreter der Stadtwerke in der Sitzung erklärten, nicht Aufgabe der Stadtwerke sei, müsste es dazu Vorgaben und Entscheidungen durch die Politik geben. Das ist übrigens auf Ziel der in Arbeit befindlichen Zukunftsstrategie Wasser der Landesregierung„Für die Trinkwasserversorgung werden in Nordrhein-Westfalen jährlich mehr als eine Milliarde Kubikmeter Wasser gefördert. Um die Wasserversorgung auch in langen Trockenzeiten für die verschiedenen Nutzungen zu sichern, sollen Einsparpotenziale identifiziert und genutzt werden.“

Kritische Hinweise wurden zu der für den Fernwasserbezug zu bauenden Fernwasserleitung geäußert, da damit unweigerlich schwere Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden seien. Fragwürdig sei es auch, die Wasserversorgung von Bielefeld durch im Einzugsgebiet der Ruhr gewonnenes Oberflächenwasser, das in Talsperren gespeichert wird, zu stützen. Zu häufig habe es in den letzten Jahren dort schon ausgetrocknete Trinkwassertalsperren und stark reduzierte Abflüsse der Flüsse und Bäche mit entsprechenden ökologischen Folgen gegeben. Dazu bereite die Landesregierung aktuell sogar eine Gesetzesänderung vor, die eine weitere Reduzierung der Mindesabflussmengen der Flüsse ermöglicht, damit die Trinkwasserversorgung weiter gesichert werden kann. In dieser Situation müsse die Stadt Bielefeld alles tun, die eigenen Grundwasservorräte zu schützen und zu sichern. Dazu sei die Stadt auch gesetzlich nach dem Wasserhaushaltsgesetz verpflichtet. Langfristig  gespeichertes Grundwasser sei gerade in Zeiten des Klimawandel und auch qualitativ eine viel bessere Grundlage für die Trinkwasserversorung, als über Fernleitungen aus dem Ruhrgebiet zugeführten Flusswasser.

Am Schluss brachte der Beirat seine aktuellen Bedenken gegen den Fernwasserbezug mit nachfolgendem Beschluss zum Ausdruck. Vor einer solchen bedeutsamen Zukunftsentscheidung müssten alle für den Plan relevanten Fakten auf den Tisch und dazu die vielen auch nach dieser Sitzung noch offenen Fragen geklärt werden.

Fernwasserbezug von Gelsenwasser? Beschluss des Naturschutzbeirats am 2.7.2024 zur künftigen Trinkwasserversorgung in Bielefeld  

  1. Deutschland ist eines der wasserreichsten Länder der Welt. Bielefeld und seine Umgebung hat hinsichtlich der Grundwasservorräte und der Grundwasserneubildung durch die Lage am Teutoburger Wald und die geologischen Voraussetzungen grundsätzlich gute Bedingungen.
     
  2. Eine funktionierende Trinkwasserversorgung ist für die Stadt Bielefeld von grundlegender und generationenübergreifender Bedeutung (öffentliche Daseinsversorge) und sollte nicht leichtfertig verändert werden, sondern fachlich fundiert und mit Weitblick erfolgen.
     
  3. Vorrangig muss es in Bielefeld darum gehen, durch geeignete Maßnahmen die eigenen Wasservorräte zu schützen. Hierzu gehört in erster Linie das Einsparen von Trinkwasser. Bereits jetzt sind in Wasserentnahmegebieten deutliche Absenkungen des Grundwassers zu verzeichnen mit negativen Auswirkungen auf die Vegetation. Die Möglichkeit, Wasser über Fernleitungen dazu zu kaufen, regt nicht zum Wassereinsparen an.
     
  4. Der Naturschutzbeirat kritisiert ferner, dass für den möglichen Zukauf von Fernwasser im Zuge einer Kooperation der Stadtwerke Bielefeld und Gelsenwasser AG massive Eingriffe in Natur und Landschaft für den Bau einer Fernwasserleitung zu befürchten sind.  Der Naturschutzbeirat hält daher eine Entscheidung für einen Fernwasserbezug durch Fernrohrleitung zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht und fordert zudem ein Trinkwasserkonzept seitens der Stadt Bielefeld für eine nachhaltige Trinkwasserversorgung der Bielefelder Bevölkerung, die insbesondere das Einsparen von Trinkwasser als wichtigen Schwerpunkt beinhaltet. 
     
  5. Der Naturschutzbeirat erwartet, dass vor einer Entscheidung die zahlreichen, im Beirat am 2. Juli 2024 erörterten Fragen umfassend beantwortet und mit Blick auf die Auswirkungen die Unserer Naturschutzbehörde, die Unterer Wasserbehörde, die Natur- und Umweltschutzverbände und der Klimabeirat beteiligt werden.  
     
  6. Der Naturschutzbeirat fordert dabei die umfassende Betrachtung der zukünftigen Bielefelder Trinkwasserversorgung unter Beachtung des gesetzlich vorgegebenen Grundsatzes des ortsnahen Wasserbezuges (und damit Schonung von Natur und Landschaft), der zukünftigen Entwicklungen auf Ebene des Bundes und des Landes NRW bzgl. der zukünftigen Wasserwirtschaft und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen.

Weitere Infos: 

Vortrag Dr. Manfred Dümmer (BUND) im Naturschutzbeirat (PDF)

NRW-Unweltministerium: Eckpunkte auf dem Weg zur Zukunftsstrategie Wasser

Kommentar von Kurt Emke, NW 5.7.2024

Bericht Neue Westfälische, 5.7.2024

Bericht Westfalenblatt, 4.7.2024

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