Kreisgruppe Bielefeld

Ems-Lutter: Vom „Naturschutzvorranggebiet" zum Naturschutzgebiet?

18. März 2022 | BUND, Bäche, Bielefelder Wald, Flüsse & Gewässer, Naturschutz

Naturschutzbeirat: Keine weiteren Baugebiete im Tal der Emslutter – Bebauungspläne überarbeiten - Regionalplanentwurf sieht hier einen „Bereich zum Schutz der Natur“ vor

Ems-Lutter mit naturnahem Auenwald. Foto: BUND

Der Naturschutzbeirat hat sich in seiner Sitzung am 15.3.2022 mit der Rodung eines Waldstückes nahe der Emslutter in Brackwede befasst. Mitglieder haben in der Sitzung ihre Sorge um den Schutz des gesamten Tals der Emslutter zum Ausdruck gebracht und dann einstimmig Empfehlungen zum Schutz der Emslutter beschlossen. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:  Das „Biotopband“ der Emslutter von der Quelle bis zur Stadtgrenze ist laut Zielkonzept Naturschutz „Naturschutzvorranggebiet“. Es ist ein „Kerngebiet mit herausragender Bedeutung für den Biotopverbund“. Nach dem Entwurf des neuen Regionalplans ist es als „Bereich zum Schutz der Natur“ (BSN) vorgesehen. Das Klimaanpassungskonzept weist das Luttertal als besonders schutzwürdige Frei- und Grünflächen erster und zweiter Schutzpriorität aus. 

Empfehlungen zum Schutz dieses Biotopbandes der Emslutter:

  1. Keine weitere Beanspruchung von laut Zielkonzept Naturschutz schützenswerten Flächen für Bebauungen. Konkret Verzicht auf die laut „Perspektivplan Wohnen“ und Änderungsantrag der Stadt zum Regionalplan vorgesehenen Wohnbauflächen Bra-S-05 und Bra-S-06.
  2. Beteiligung des Naturschutzbeirates und der Naturschutzverbände an allen Planungen, die das Biotopband der Ems-Lutter betreffen.
  3. Überprüfung und Überarbeitung von Bebauungsplänen, in denen laut Zielkonzept Naturschutz ausgewiesene schützenswerte Flächen im Tal der Emslutter überplant werden.
  4. Prüfung der Ausweisung des Biotopbandes der Emslutter als Naturschutzgebiet. Bei der naturschutzfachlichen Prüfung sollten als potenzielle Gebietskulisse alle im Zielkonzept Naturschutz als „Naturschutzvorranggebiet“ ausgewiesenen Flächen einbezogen werden.
  5. Aktualisierung und Stärkung des „Zielkonzept Naturschutz“ durch Einführung als verbindliche Planungsgrundlage (Umsetzung der entsprechenden Absicht im Koalitionsvertag von SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE)
  6. Erörterung dieser Empfehlungen im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz (AfUK)

Hintergrundinformationen

Die Ems-Lutter entspringt zum Teil oberhalb des Bahnhofs Brackwede, zum Teil unterhalb des Bahnhofs, fließt von dort überwiegend in südwestlicher Richtung auf ca. 8,5 km Lauflänge durch Bielefelder Stadtgebiet und mündet bei Harsewinkel in die Ems. Trotz der angrenzenden teilweise intensiven Bebauung und verschiedenen Eingriffen der Vergangenheit sind der Bachlauf und seine Aue hier noch in einem weitgehend naturnahen Zustand. Ein vielfältiges Mosaik verschiedener Biotoptypen macht den besonderen ökologischen Wert der Aue aus: Da gibt es den naturnahen Quellbereich, ein naturnahes Fließgewässer, Teiche und Tümpel, Auenwaldreste, Erlenbruchwälder, Sümpfe und Röhrichte, Feuchtwiesen, Reste eiszeitlicher Dünen, trockenen Kiefer-Eichenwald sowie alte Eichen- und Buchenwaldbestände an den Hängen des Kerb- und Kastentals. Im Luttertal sind noch sieben nach § 30 Bundesnaturschutzgesetzt bzw. § 42 Landesnaturschutzgesetz NW gesetzlich geschützte Biotope vorhanden.

Diese Vielfalt ist Grundlage für eine entsprechend artenreiche Besiedlung mit Tieren und Pflanzen, darunter auch gefährdete Arten der Roten Listen (Amphibien, Libellen, Vogelarten wie z.B. Wasseramsel, Eisvogel und Mittelspecht). Im Zielkonzept Naturschutz der Stadt Bielefeld wurden große Teile der Lutteraue deshalb als „Naturschutzvorranggebiet“ bewertet. Damit gemeint sindLandschaftsräume und Landschaftsteile mit einem hohen Anteil an höchstwertigen Biotoptypen“, die eine besondere Funktion als „obligatorische Bestandteile des Biotopverbundes“ haben.

Aktuell sind Bach und Aue ab dem Naturbad als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Dieser Schutzstatus bietet kaum ausreichenden Schutz gegenüber übergeordneten Planungen und Nutzungsinteressen. Ein kleiner Teil ist durch Festsetzungen des Landschaftsplanes Bielefeld-West bisher überhaupt noch nicht erfasst. Für die dauerhafte Erhaltung einschließlich der Renaturierung potenziell wertvoller Bereiche ist eine Schutzausweisung als Naturschutzgebiet angemessen und zielführend. So wie es bei den meisten städtischen Bachläufen nördlich des Teutoburger Wald schon geschehen ist. 

Quellen:

Kulbrock, Peter (2007): Naturraum Quelle – Landschafts- und Vegetationsentwicklung. In: Queller Buch, Verlag Hans Gieselmann, Bielefeld. S. 11-26

LANUV NRW: Gesetzlich geschützte Biotope in Nordrhein-Westfalen 

Stadt Bielefeld (1999): Landschaftsplan Bielefeld-West

Stadt Bielefeld (2013): Zielkonzept Naturschutz

Stadt Bielefeld (2002): Umwelt-Touren 1, Quelle-Ummeln. https://www.bielefeld.de/ftp/dokumente/Info_Umwelt-Tour1_Quelle_Ummeln.pdf

Wächter, H. Jürgen (2007): Zur Naturgeschichte der Lutterquellen im Bielefelder Pass. In: Queller Buch, Verlag Hans Gieselmann, Bielefeld. S. 27-40

Bildstrecke: Biotopband der Emslutter - Von der Quelle bis Niemöllers Teiche

Auf dem Wanderweg von der Quelle bis Niemöllers Teiche ist eine  einzigartige Biotopvielfalt anzutreffen: Quelle, Fließgewässer, Teiche, alte Buchen und Eichenwälder, Erlen- und Weidenbruchwälder, Auenwälder, lichte Kiefern-Eichenwälder, Feichtwiesen, eiszeitliche Dünen. Kultur- und Industriegeschichte haben diese Vielfalt maßgeblich mit geprägt. 

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