Kreisgruppe Bielefeld

Darf der Schwarzbach jetzt frei fließen?

07. April 2024

Der Umweltausschuss stimmt dem Plan der Stadt einstimmig zu. Dornberger Bezirkspolitiker schreiben einen Offenen Brief. Soll die Bachrenaturierung verschleppt werden?

Schwarzbach an der Deppendorfer Mühle mit Mühlenstau. Foto: BUND

Der Streit um die Renaturierung des Schwarzbach an der Deppendorfer Mühle setzt sich fort. Wie hier berichtet hat die Bezirksvertretung am 22.2. erneut die Zustimmung zu den Plänen der Stadt verweigert. Obwohl bei einem Runden Tisch zuvor alle beteiligten Fachleute die vom Mühlenbesitzer gefordeter Alternativplanung verworfen hatten. Der Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz (AfUK) folgte deshalb diesem Fachvotum und stimmte dem Plan einstimmig zu. Dornberger Bezirkspolitiker reagierten entrüstet, sprechen von einem Verstoß gegen demokratische Gepflogenheiten und fordern in einem Offenen Brief den Oberbürgermeister auf, im Sinne der gewünschten Wasserspiele an der Mühle einzugreifen. Wir geben hier diesen Offenen Brief wieder und nachfolgend die Antwort von BUND-Vorstandsmitglied Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, der als Gewässerschutzexperte für den Naturschutzbeirat am Runden Tisch teilgenommen hat.   

Antworf auf den Offenen Brief Dornberger Bezirkspolitiker - Mit der Variante des Mühlenbesitzers ist die ökologische Durchgängkeit nicht herstellbar  

Sehr geehrte Mitglieder der Bezirksvertretung Dornberg, 

mit einem Offenen Brief kritisieren Sie den einstimmigen Beschluss des AfUK zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit des Schwarzbaches an der Deppendorfer Mühle und werfen dem Ausschuss undemokratisches Vorgehen vor.

Deshalb wende ich mich erneut an Sie mit der Bitte, die aus Sicht des Gewässer- und Naturschutzes dringliche Maßnahme nicht weiter auszubremsen. Als Fachmann, der sich seit über 40 Jahren haupt- und ehrenamtlich mit Gewässerökologie beschäftigt, am Runden Tisch und an der Veranstaltung in der Mühle teilgenommen und auch die möglichen Alternativen intensiv geprüft hat, bin ich sehr irritiert über dieses Vorgehen.  Aus meiner fachlichen Sicht waren die Ergebnisse des Runden Tisches eindeutig. Alle Fachleute aus dem Umweltamt, den beteiligten Planungsbüro, dem Denkmalschutz und dem Naturschutzbeirat waren sich einig und haben m.E. auch überzeugend dargelegt, dass das Umgehungsgerinne mit Sohlabsturz auf der Westseite der Mühle alternativlos ist.

Trotzdem weisen Sie im Offenen Brief erneut auf die verschiedenen vom Mühlenbesitzer vorgestellten „Alternativen“ hin und verweisen dazu auf Ihren Beschluss vom 22.2.2024: mit dem Sie die Umweltverwaltung gebeten haben, „eine Variante im Bereich des Mittelgrabens unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes zu prüfen, sodass die Deppendorfer Mühle weiterhin über Wasser verfügen kann und die Umflut erhalten bleibt.“

Ich wies beim Runden Tisch schon darauf hin, dass diese Variante sich grundsätzlich nicht von allen anderen Varianten, die östlich der Mühle die Durchgängigkeit realisieren sollen, unterscheidet.  Ich habe beim Runden Tisch Herrn Westfeld, als er diese „neue“ Variante zeigte, befragt, und er hat genau das bestätigt. Im Kern geht es dabei immer um die gleiche Alternative, um den Bau eines Umgehungsgerinnes im Osten unter Nutzung eines dort vorhandenen Durchlasses und einem Verbleib eines Großteiles des Schwarzbachwassers im vorhandene Mühlenkanal. Im Ergebnis wäre damit aufgrund der eher schwachen Wasserführung des Baches eine Durchgängigkeit nicht herstellbar. Das ist aus meiner fachlichen Sicht unstreitig.

Ich habe Ihnen diese Sichtweise auch schon unmittelbar nach dem Runden Tisch in einer Mail mitgeteilt:

„Die überraschend mit einer Skizze vorgestellte angeblich neue Alternativversion entspricht der bis zum 17.1. vorliegenden, was Herr Westfeld am Schluss ausdrücklich bestätigte. Der Unterschied beschränkt sich darauf, dass für das Gerinne jetzt nicht ein neuer Durchlass durch den Mühlendamm geschaffen, sondern der Mittelgraben-Durchlass genutzt werden soll. Diese Alternativversion, bei denen ein Umgehungsgerinne im Osten der Mühle z.T. neu geplant wird, wurde von den Fachleuten des Umweltamtes und dem beauftragten Planungsbüro geprüft und verworfen. Die Durchgängigkeit lässt sich damit nicht sicherstellen. Insbesondere, weil dabei ein wesentlicher Teil des Wasserabflusses weiter über das Mühlenwehr abgeführt werden soll. Zudem wird die Hochwassergefahr für die Mühle durch den dann hier möglichen erhöhten Wasserdurchsatz verschärft. Denn der Durchlass Mittelgraben soll von aktuell ca. 60 cm auf 120 - 140 cm Durchmesser erweitert werden“. Hinzu kommt, dass auch der Denkmalschutz diesen Eingriff in einen denkmalgeschützten Durchlass abgelehnt hat.

Diese klaren Ergebnisse des Runden Tisches waren Ihnen am 22.2. bekannt. Sie wurden in der Sitzung auch noch einmal (zum wiederholten Mal) von den Vertreterinnen des Umweltamtes vorgetragen. Die Varianten des Mühlenbesitzers sind alle fachlich durchgeprüft, wurden alle verworfen. Dennoch haben Sie oben angegebenen Beschluss gefasst.

Sie schreiben weiterhin: „Daneben war es der Bezirksvertretung immer wichtig, die offene Landschaft des Naturschutzgebietes „Deppendorfer Wiesen“ zu erhalten. Diese gehören nach der Expertise des Landesamtes für Denkmalschutz mit zum schützenswerten Denkmalensemble. Die vorhandenen Dämme und Gräben gehören mit zu diesem schützenswerten Bereich“.

Sie ignorieren mit diesem Hinweis, dass die Planung der Stadt in keiner Weise diese offene Landschaft gefährdet. Mit dem neu anzulegenden Umgehungsbach wird diese Landschaft vielmehr bereichert. Eine Nutzung und Absenkung des Mittelgrabens, wie vom Mühlenbesitzer vorgeschlagen, würde hingegen die Feuchtwiesen des NSG entwässern und gefährden können.  Die Vertreterin des Naturschutzbeirates hat beim Runden Tisch diese Variante u.a. deshalb abgelehnt.   

Im Brief heißt es: „Dafür sollen aber die drei bestehenden Wasserdurchlässe der Mühle geschlossen werden“. Diese Aussage ist falsch, der Hauptdurchlass bleibt bestehen. Über den zu erhaltenen Mühlenkanal und eine über die Sohlgleite geführte Rohrleitung soll hier weiter die Möglichkeit bestehen, Wasser für einen möglichen Demonstrationsbetrieb eines Wasserrades zuzuführen. Auch das konnten Sie der Vorlage entnehmen.

Weiter behaupten Sie „die Erfahrbarkeit des historischen Mühlenbetriebs“ ginge durch den Bau der Umflut „weitgehend verloren“. Ich stelle dazu fest: Eine solche Erfahrbarkeit ist an und in dieser Mühle überhaupt nicht mehr möglich. Erfahrbar ist das z.B. an Niemöllers Mühle in Quelle, die mit ihrem gesamten Innenleben und dem Wasserrad komplett im historischen Zustand erhalten blieb. Die Deppendorfer Mühle ist innen nach dem Umbau zu einem Hotel- und Gastronomiebetrieb überhaupt nicht mehr in einem historischen Zustand, der Mühlebetrieb erfahrbar machen kann, und außen am Schwarzbach fehlt ein Mühlrad.  Erst nach Installation eines solchen Rades wäre ein Wasserrad außen erlebbar, aber keineswegs ein kompletter „historischer Mühlenbetrieb“.

Aus meiner Sicht verfolgen Herr Westfeld und der Mühlenverein eine durchsichtige Verschleppungstaktik, die dem Steuerzahler inzwischen schon sehr viel Geld zusätzlich gekostet haben dürfte und die das Ziel verfolgt, die notwendige Renaturierung des Schwarzbaches auszubremsen. Die Taktik ist durchschaubar: Immer, wenn ein Alternativvorschlag von den Fachleuten als ungeeignet verworfen wurde, zieht Westfeld eine „neue“, nur leicht abgewandelte Variante aus der Tasche, die neu untersucht werden soll. So geschehen z.B. beim Runden Tisch, so geschehen zweimal vor Sitzungen der Bezirksvertretung.

Dass Sie als Bezirkspolitiker dieses m.E. durchsichtige Spiel, das sich jetzt schon mehrere Monate hinzieht, mitmachen, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist in der Tat „misslich und bedauerlich“, wie im Offenen Brief formuliert wird. Dass der AfUK als für die Entscheidung zuständiger Fachausschuss dem Vorschlag einer erneuten, kostenträchtigen Prüfungsschleife nicht gefolgt ist, stützt sich auf alle vorliegenden fachlichen Fakten. Das Umweltamt hat zudem die in der Bezirksvertretung geäußerten Bedenken „sachlich und kompetent“ abgearbeitet. Alleine die Dokumentation der über 50 Fragen und Antworten beim Runden Tisch belegt das. Eine „alternative Planung“ im Sinne der Varianten von Herrn Westfeld wurde vom Umweltamt aus den dargelegten sachlichen  Gründen nie in Aussicht gestellt.

Die Bezirksvertretung hatte in mehreren Sitzungen Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Sie kann selbstverständlich Bedenken anmelden, sie kann eine Planung auch ablehnen. Aber sie entscheidet nicht über solche Planungen. Diese Zuständigkeit liegt bei den Genehmigungsbehörden. Keinesfalls wurden bei diesem Vorhaben demokratischer Entscheidungsprozesse verletzt, wie im Offenen Brief behauptet. Es wird über dieses Vorhaben auch noch ein Planfeststellungverfahren geben, zu dem es ein Beteiligungsverfahren geben wird. Dabei haben alle Bürger*innen, Betroffene und Bezirkspolitiker*innen erneut Gelegenheit, Bedenken und Anregungen einzubringen. In der Sache bin ich mir sehr sicher, dass die Bezirksregierung hier im Sinne des Gewässerschutzes und der EU-WRRL (die mit dem Wasserhaushaltgesetz auch in deutsches Recht über gegangen ist), entscheiden wird.  

Offener Brief der Bezirkspolitiker (PDF)

BUND-Faktencheck (PDF)

Bildstrecke: Schwarzbach bei der Deppendorfer Mühle - Maßnahme zur Herstellung der Durchgängigkeit

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