Das Bündnis „Verkehrswende OWL“ (VwOWL), das von 44 Organisationen und Vereinen unterstützt wird, ist entsetzt über die Argumente und Durchhalteparolen, die für die Umsetzung der B61n Ortsumgehung Ummeln (OU) zuletzt in die Öffentlichkeit gebracht wurden. „Da wird argumentiert, es gebe klare Beschlüsse der Parteien und der kommunalen Gremien. An die müsse und werde man sich halten.“, kritisiert Roland Tillmann, Sprecher von VwOWL: „Heißt das im Umkehrschluss, dass man sich an die Beschlüsse des Stadtrates zum Klimaschutz und zur Verkehrswende nicht halten muss? Seit der Planungsphase für die Ortsumgehung haben sich die Rahmenbedingungen beim Natur- und Klimaschutz fundamental verändert. Wer das ignoriert und für ein ‚weiter so‘ plädiert, handelt unverantwortlich gegenüber den Lebensinteressen unserer Kinder und Enkel.“
Verkehrswende OWL zeigt sich irritiert, dass die Bemühungen um Gespräche mit den politisch Verantwortlichen nur bedingt auf Resonanz stoßen. Insbesondere kritisiert das Bündnis die Verweigerungshaltung der Bielefelder SPD. Tillmann: „Unsere Gesprächsangebote und –anfragen bei den führenden Funktionsträgern der SPD waren leider bisher nicht erfolgreich. Wir werden immer wieder mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Landes vertröstet. Aber das Projekt hat massive Konsequenzen für die Stadt und die kommunale Verkehrs- und Klimapolitik, die dringend den kritischen und offenen Dialog über Alternativen erfordern."
In der Sache gebe es unter den Experten, so das Bündnis, überhaupt keinen Zweifel, dass die B 61n zu deutlich mehr Verkehr führen würde. Zwar würde in der Ortsdurchfahrt Ummeln der Verkehr von aktuell 16.000 Fahrzeugen pro Tag auf voraussichtlich 10.000 zurückgehen. Dafür würden aber auf der Ortsumgehung bis zu 26.000 Fahrzeuge pro Tag erwartet. Die Gesamtverkehrsmenge im Korridor Ummeln würde sich mindestens verdoppeln.
Godehard Franzen vom Bündnis erläutert die Gründe für das Anwachsen der Verkehrsmengen: „In diesen Tagen ist ‚Engpassbeseitigung‘ so eine Art Zauberwort geworden. Wer kann schon gegen die Beseitigung eines Engpasses sein? Aber wir wissen sehr genau, was passiert. Der Verkehr wird flüssiger und schneller. Die Autonutzung für Pendler wird attraktiver. Die Bereitschaft, weitere Strecken in Kauf zu nehmen, wächst, weil keine zusätzliche Zeit aufgewendet werden muss. So wächst der Verkehr. Und wenig später treten an anderer Stelle neue Engpässe auf. Dieser Zirkel von Straßenbau und Verkehrswachstum bestimmt seit Jahrzehnten die Verkehrspolitik. Wenn wir es mit der Verkehrswende ernst meinen, müssen wir diesen Zirkel durchbrechen.“
Neben der Zunahme der CO2-Emissionen hätte die Ortsumgehung weitere negative Konsequenzen. Der Ortskern Ummeln würde etwas entlastet, aber an anderer Stelle würden die Belastung durch Lärm und Schadstoffe, aber auch Staus und Parkplatzprobleme zunehmen. Die Bedingungen für einen attraktiven ÖPNV in dem Korridor würden massiv verschlechtert. „Wir halten es auch für eine Illusion zu glauben“, so Thomas Keitel vom Bündnis, „ dass man die Ortsumgehung bauen und den vierstreifigen Ausbau der B61 bis Gütersloh ad acta legen kann. Am Tag nach der Eröffnung der Ortsumgehung würde die Diskussion über den vierstreifigen Ausbau sofort wieder losgehen. Es ist nur zu verständlich, dass sich Gütersloh gegen die B 61n vehement wehrt.“
In der Öffentlichkeit werde immer wieder argumentiert, man sei es den Ummelnern schuldig, die seit vielen Jahren auf eine Entlastung ihres Ortskerns warten. Das Bündnis hält dieses Argument für wenig stichhaltig. Es sei hinreichend bekannt, dass der wasserrechtliche Fachbeitrag wegen eines EuGH-Urteils überarbeitet werden müsse. Danach müsse das Planfeststellungsverfahren wieder aufgenommen werden. Da erneut Klagen zu erwarten seien, könne es noch etliche Jahre bis zu einem Planfeststellungsbeschluss dauern. Godehard Franzen: „Ob dann die Maßnahme noch finanziert werden kann, muss mit einem dicken Fragezeichen versehen werden. Dem Ortskern Ummeln wäre weit mehr geholfen, wenn jetzt gezielt und zügig nach einem alternativen Konzept gesucht würde – mit Tempo 30 im Ortskern oder einem „shared space“, mit LKW-Fahrverbot, mit besseren Radwegen, mit Schnellbussen im Korridor Bielefeld-Gütersloh usw. Solche Maßnahmen lassen sich zeitnah umsetzen, und sie können schnell zu deutlichen Verbesserungen im Ortskern beitragen.“ Das Bündnis fordert alle verantwortlichen Akteure in Bielefeld und im Land auf, die Ortsumgehung Ummeln auf den Prüfstand zu stellen und einen offenen Dialog über ein kurzfristig umsetzbares alternatives Konzept einzuleiten.
Bericht im Westfalenblatt vom 15.5.2023 - "Bürger für Ummeln" sehen Orstumgehung kritisch