Aufgrund der Entgleisung einer Rangierfahrt in Minden kam es zu einer Streckensperrung der DB-Hauptstrecke mit massiven Störungen des Reiseverkehrs. Naturschutzverbände in Ostwestfalen und Niedersachsen wenden sich jetzt vehement gegen den Versuch, mit dem Unfall den Bedarf einer ICE-Neubaustrecke Bielefeld – Seelze zu begründen, so wie es ein Vertreter von „ProBahn“ mache. Unfälle wie dieser sind selten, kommen aber leider vor. Das steht aber in keinerlei Zusammenhang mit Kapazitätsengpässen. „Wer so etwas behauptet, hat die Eisenbahn nicht verstanden“, so Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz der Naturschutzverbände Ostwestfalen. Ursache von Verspätungen sei überdies nicht eine fehlende Hochgeschwindigkeits-strecke zwischen Bielefeld und Hannover. „Die Bahn wurde jahrzehntelang vernachlässigt und auf Verschleiß gefahren, Strecken wurden zurückgebaut oder ganz stillgelegt“. Dieser Kurs sei verantwortlich dafür, dass es heute an Kapazitäten mangele.
Beispielhaft nennen die Naturschutzverbände die Weserbahn von Löhne über Hameln nach Elze. Diese Hauptstrecke wurde in den 80er Jahren auf ein Gleis zurückgebaut und ist immer noch nicht elektrifiziert. Ebenso sei die Bahnlinie von Minden nach Nienburg, Teil der direkten Verbindung aus OWL nach Hamburg, eine eingleisige Nebenbahn. Der Ausbau dieser Strecken könnte die Magistrale Bielefeld – Hannover entlasten und gleichzeitig hervorragende Alternativen bei Betriebsstörungen bieten.
Eva von Löbbecke vom Förderverein Bückeburger Niederung fordert deshalb: „Beide Strecken müssen dringend elektrifiziert und ausgebaut werden, um fit für die Verkehrswende zu werden. Auch beim Bau zweier weiterer Gleise zwischen Minden und Wunstorf braucht es diese Ausweichrouten“. Komplettsperrungen der Verbindung Bielefeld – Hannover, wie von ProBahn behauptet, sind nicht notwendig.
„Solch ein leistungsstarkes, dichtes Bahnnetz braucht Deutschland für die Verkehrs-wende, nicht jedoch ein Prestigebauwerk, welches aus klimaschädlichen Betonbauwerken wie Brücken und Tunneln besteht und daher klimaschädlicher ist als ein Betrieb auf vorhandenen Trassen“, ergänzt dazu Jürgen Birtsch vom Vorstand des BUND Bielefeld. Die immensen Kosten einer solchen Tunnelstrecke würden die Finanzierung wichtiger Nahverkehrsprojekte gefährden.
„Um das 1,5 Grad Klimaziel einzuhalten, brauche es den zügigen Ausbau einer energieeffizient schnellen, in der Fläche gut angebundenen zuverlässigen Bahn“, ergänzt Dietmar Meier, vom NABU Hameln. Eine auf Prestige ausgerichtete Hochgeschwindigkeitsstrecke durch das Lipper Bergland und das Weserbergland findet wegen fehlender Klimafreundlichkeit und Kostenunvernunft zu Recht keine Unterstützung bei den Naturschutzverbänden und der Bevölkerung.