Kreisgruppe Bielefeld

Kahlschlag am Leberblümchenberg

05. März 2024 | Bäume, BUND, Klimawandel, Wälder, Naturschutz

Waldstreifen am Jakobsberg nach Fällung aller Rotbuchen verwüstet. Nur einzelne Bäume krank - dennoch Kahlschlag aus wirtschaftlichen Gründen.

Buchen-Kahlschlag eines Waldstreifen am Jakobsberg im Februar 2024. Foto: BUND

Die ersten Leberblümchen zeigen sich in diesem Jahr schon früh am Jakobsberg bei Amshausen im Kreis Gütersloh. Gerade jetzt lohnen sich Wanderungen auf dem wunderschönen „Bergweltenweg“ und dem „Weg für Genießer“. Doch am südlichen Rand des Jakobsberg ist es jetzt auf diesen Routen mit dem Genießen schöner Natur vorbei. Dort wurde ein breiter Waldstreifen, durch den diese Wanderwege verlaufen, mit schweren Forstmaschinen geradezu verwüstet. Alle Rotbuchen, egal welchen Alters, wurden hier gefällt, dazu noch einige Hainbuchen. Vom Baumbestand blieben nur fünf Eichen stehen.

Es handelt sich hier um Privatwald, der leider knapp außerhalb des Naturschutzgebiets Jakobsberg liegt. Warum diese ökologisch ebenso wertvolle Buchenwaldfläche nicht mit unter Schutz gestellt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Dass das NSG nicht bis hierhin reicht,  rechtfertig aber nicht einen solchen Kahlschlag. Mit naturgemäßer Waldwirtschaft, bei der einzelne erntereife Bäume waldschonend entnommen werden, hat diese Maßnahme nichts zu tun, wie die Bilder eindrucksvoll zeigen. Hier wurde ein ökologisch wertvoller Buchenwald regelrecht verwüstet!  

Begründet wird der Eingriff damit, dass hier Bäume krank gewesen wären und für Wanderer eine Gefahr darstellten.  Dass nach den Dürrejahren 2018 bis 2021 an den Südhängen des Teutoburger Wald auf flachgründigen Böden die dürrempfindlichen Rotbuchen unter Wassermangel leiden, ist unstrittig. Auch hier gab es Bäume mit trockenen Kronenspitzen und abgestorbenen Ästen. Zu finden sind auch einzelne abgestorben Buchen, gut zu erkennen an den nach Sonnenbrand abgeplatzten Rinden. Aber warum musste wegen einzelner kranker Bäume gleich ein ganzer Wald kahl geschlagen werden?

Gefällte Buchen überwiegend gesund und standsicher

Aber eine Untersuchung der Baumscheiben zeigt auch, dass ein Großteil der gefällten Bäume noch standsicher und gesund waren. Das gilt besonders für die vielen nur 30 - 40 jährigen Buchen, die mit gefällt wurden. Warum viele dieser jungen Buchen, die am Wiesenrand abseits des Weges standen, gefällt wurden, ist nicht nachvollziehbar.

Bei den älteren gefällten Buchen weist der Landesbetrieb Wald und Holz auf erkennbare Farbveränderungen an den Stammschnitten hin, das sei ein Indiz für eine Erkrankung. BUND-Baumexperten haben diese Farbveränderungen anhand der Fotos geprüft und kommen zu einem anderen Ergebnis: Überwiegend handelt es sich dabei um „Rotkern“ oder „Kernbuche“, eine Verfärbung, die auf natürliche Prozesse zurückgeht und die Holzqualität und die Standfestigkeit der Bäume keineswegs beeinträchtigt. Durch natürliche Wuchs- und Oxidationsprozesse bilden sich dabei im Holz rotbraune Einschlüsse. Durch die Einschlüsse entstehen sogar wunderschöne, lebendigen Maserungen. Man vermutet, dass diese Verfärbungen durch Abwehrmaßnahmen des Baumes gegen Pilze und Viren verursacht werden. Die Möbelindustrie schätzt Kernbuche wegen der schönen Färbungen und Maserungen, die jedem Möbelstück und Massivholzbett seinen einmaligen Charakter verleihen.

Verkehrssicherheitsplicht im Wald gilt nicht für waldtypische Gefahren 

Trotz dieser Fakten sei der Eingriff aus Gründen der Verkehrssicherheit unumgänglich gewesen, sagt der zuständige Revierförster des Landesbetriebes Wald und Holz, der hier im Rahmen seiner forstlichen Beratung tätig war. Nachdem der BUND, u.a. in einem WDR-Beitrag, nachgewiesen hat, dass viele der Bäume offenbar noch sehr vital waren, spricht der Revierförster gegenüber dem WDR Klartext: Für den Kahlschlag hätten wirtschaftliche Gründe den Ausschlag gegeben. Wörtlich: „Wir sind hier in einem Privatwald, wir können nicht dauernd wieder Maßnahmen machen, es muss sich auch irgendwie rechnen für den Waldbesitzer, das ist der Grund“. Deshalb habe Wald und Holz der Waldbesitzerin zu dem Kahlschlag geraten. „In mehreren Teilabschnitten jeweils jährlich einzelne Bäume zu entnehmen, lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen“, so der Landesbetrieb Wald und Holz.  

Mit anderen Worten: Werden in einem Wald kranke Bäume festgestellt, empfiehlt der Landesbetrieb den Waldbesitzern vorsorglich Kahlschläge, anstatt die Bäume einzeln zu entnehmen!

Aus Sicht des BUND ist ein solcher Umgang mit einem ökologisch wertvollen Buchenwald, egal wie viele der Bäume krank waren, absolut inakzeptabel. Mit nachhaltiger, naturgemäßer Waldwirtschaft, zu der sich auch der Landesbetrieb Wald und Holz bekennt, haben solche Kahlschläge nichts zu tun. Wenn dieses Vorgehen Schule macht, folgen auf die Kahlschläge der kranken Fichtenplantagen jetzt möglicherweise großflächig Kahlschläge der Buchenwälder.

Ein solches Vorgehen entspricht einer Forstwirtschaft von Gestern, die nur den Holzertrag sieht und die Gemeinwohlleistungen des Waldes - dabei besonders Naturschutz und Klimaschutz - missachtet. „Eigentum verpflichtet“ heißt es im Grundgesetz, „sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Wald dient mit seinen Wohlfahrtsfunktionen auch der Allgemeinheit. Alleine dieser Grundsatz muss bei der Bewirtschaftung dazu führen, Kahlschläge zu vermeiden.

Fragwürdig ist auch, solche Eingriffe überhaupt mit Verkehrssicherheit zu begründen. Denn eine Verkehrssicherungsplicht für waldtypische Gefahren, auch an solchen Wanderwegen, gibt es für Waldbesitzer nicht. Zuletzt wurde das mit einem wichtigen Urteil des Bundesgerichtshofes  höchstrichterlich geklärt. Auch der Verweis von Wald und Holz auf sogenannten „Megagefahren“, bei denen ein Waldbesitzer tätig werde müsse, entspricht nicht mehr der aktuellen Rechtsprechung. „Megagefahrenbäume“ lassen sich überhaupt nicht von anderen Bäumen juristisch klar abgrenzen. Gehört ein Baum, aus dessen Krone abgestorbene Äste jederzeit herunterfallen könnten, schon in diese Kategorie? Oder sind damit schon abgestorbene Bäume gemeint? In beiden Fällen handelt es sich klar um „waldtypische Gefahren“, die von diesen Bäumen ausgehen können.

Das gilt auch für die Bäume, unter denen Bänke standen. Drei solche Abschnitte gibt es in diesem Wald, und der Wald und Holz sah in diesem Fall eine Verpflichtung, die Bank-Plätze verkehrssicher zu machen. Doch warum mussten dafür dort alle Bäume gefällt werden? Die Bänke an einen anderen, sicheren Platz zu versetzen wäre doch viel einfacher und zugleich waldschonend gewesen!

Wer aktuell durch Buchenwälder wandert, trifft ständig auf „Gefahrenbäume“. Nicht nur Buchen, auch kerngesunde alte Eichen sind oft voll von toten Ästen, die herabfallen könnten. Am „Weg für Genießer“ steht eine solche Eiche unmittelbar über einer Bank des Heimatvereins Amshausen. Im Umfeld der Bank wurde nur alle Buchen gefällt. An allen Wegen und Pfaden am Jakobsberg stehen kranke Bäume. Wollte man hier für absolute Sicherheit sorgen, müssten große Teile des besonders geschützten Waldes gerodet werden. Wir alle, die im Wald unterwegs sind, müssen uns bewusst machen: Wir bewegen uns hier immer auf eigene Gefahr!

Grundsatzurteil zur Verkehrssicherungspflicht im Wald 

 

Bildstrecke: Buchen-Kahkschlag eines Waldstreifen am Jakobsberg im Februar 2024. Fotos: BUND

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